Demografischer Wandel Welche Zukunft hat die Rente? Kassensturz!

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Private Vorsorge - eine Idee von gestern?

Der Populismus hat mitten in der großen Koalition seine neue Heimat gefunden. Dabei hatte die rot-grüne Koalition Anfang der Zweitausenderjahre längst einen Konsens gefunden, das ganze System nachhaltiger zu machen: Um die gesetzliche Rente bezahlbar zu halten, sollte das Niveau der Absicherung stetig, aber langsam sinken. Alle sollten länger arbeiten, mehr privat vorsorgen, Risiken verteilt werden.

Doch gerade was die private Absicherung angeht, ist Ernüchterung eingekehrt: Rund 16,5 Millionen Deutsche haben zwar Riester-Verträge abgeschlossen. Das ist allerdings kaum die Hälfte aller Riester-Berechtigten. Und nur die Wenigsten bekommen den vollen staatlichen Zuschuss, der die Sache besonders attraktiv macht – weil sie zu wenig einbezahlen.

Ein Fünftel hat das Zahlen von Beiträgen ganz eingestellt, aus mangelnden Möglichkeiten oder aus Frust über Abzocke. Die Nullzinsdepression tut ihr Übriges, viele Verträge versprechen nicht, was sie halten. Nicht viel besser sieht es bei der betrieblichen Altersversorgung aus. 17,8 Millionen Anwartschaften zählt die Statistik. Immerhin. Dennoch haben vier von zehn Angestellten in Deutschland keine betriebliche Absicherung neben der Rente. Je kleiner die Unternehmen, desto mehr scheuen den bürokratischen Aufwand für ihre Mitarbeiter – oder haben Angst davor, für Betriebsrenten noch Jahrzehnte später in Haftung genommen zu werden. Die Frage drängt sich also auf: Ist private Vorsorge eine Idee von gestern?

Rentenprognosen für 2040

Der Rat - Ulf Niklas appelliert an die Vernunft

Ulf Niklas empfängt Menschen, die bereit sind 130 Euro pro Stunde für Dienste zu bezahlen, die offenbar selten geworden sind: Ehrlichkeit und Unabhängigkeit. Dort, wo er früher einmal gearbeitet hat, sind diese Werte verloren gegangen, findet er. Niklas war Bankberater, bis vor zehn Jahren, bis sein Job genau das eben nicht mehr war: Beratung. Stattdessen hatte der Verkaufsdruck die Herrschaft übernommen, es regierte provisionsgetriebener Hochleistungsvertrieb: Es galt, zu verkaufen, irgendwas, immer wieder.

Vorbei. Niklas machte sich als Honorarberater selbstständig. Sein typischer Kunde heute ist Ende 20, Anfang 30 und startet gerade im Beruf durch. Leistungsbewusste und kritische Leute seien das, erzählt er, die meistens bereits schlechte Erfahrungen bei Banken hinter sich haben. So finden sie zu ihm. Etwas hätten fast alle gemeinsam, das erstaunt Niklas immer wieder: „Jeder glaubt an die gesetzliche Rente.“

Nicht so sehr daran, dass sie üppig ausfällt, so viel Realismus ist vorhanden. Aber dass sie kommt, verlässlich, als solide Basis für alles Weitere, diese Erwartung ist doch sehr verbreitet. Niklas wird zurate gezogen, damit dieses Weitere möglichst üppig ausfällt. „Die Jungen müssen etwas für einen gut ausfinanzierten Lebensabend tun, die gesetzliche Rente allein reicht dafür nicht“, sagt er. „Aber die wollen auch was tun.“

Der unabhängige Berater kann deshalb überhaupt nicht verstehen, warum Politiker nichts Schlechteres zu tun haben, als die private Altersvorsorge öffentlich zu begraben. Hat Seehofer also unrecht, wenn er sagt, Riester sei gescheitert, Herr Niklas? „Mein Blick auf Riester ist grundsätzlich positiv.“ Haben daran nicht nur Banken und Versicherungen verdient? „Die Kritik an undurchschaubaren Verträgen und horrenden Provisionen war vielfach berechtigt“, antwortet er, „aber das ändert nichts an der Wahrheit: Man muss auf mehrere Pferde setzen.“ Das könne jeder mittlerweile ohne lästige Provisionen. „Zur ergänzenden privaten Vorsorge gibt es jedenfalls keine Alternative.“

Bei knapp der Hälfte der Deutschen ist diese wichtige Botschaft aber gar nicht angekommen. Oder sie haben ihre guten Absichten wieder vergessen. So bleibt ein Problem: Wer gut verdient und eine passable Rente zu erwarten hat, sorgt meist noch zusätzlich vor. Wer hingegen wenig Einkommen hat, tut auch wenig. Wer da hat, dem wird gegeben – das Matthäus-Prinzip prägt die Altersvorsorge besonders heftig.

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