Im Vergleich zu Unternehmen wie Allianz oder BMW zahlt der Staat schlecht. Also hauen etliche Polizisten nach der Pflichtzeit wieder an erschwinglichere Dienstorte ab. München kostet. Eine Tasse Kaffee gibt’s ab 2,50 Euro. Ein Kinobesuch, der Sportverein oder der Wocheneinkauf belasten stärker als anderswo.
Rothdauscher warnt: „Auch Spitzenverdiener wollen sich in ihrer Umgebung sicher fühlen und nicht über Müll stolpern. Wenn nur noch Reiche genug Geld für München haben, muss die Gräfin die Villa selber putzen.“
Erzieherinnen können nicht nach München beordert werden. Das bremst den Ausbau städtischer Kitas. Dabei locken Dienstwohnung und Zuschuss für Bus und Bahn. Extra-Schmankerl: Der Kita-Platz fürs eigene Kind zum halben Preis! In die Lücke springen private Ketten wie Elly & Stoffl oder die Wichtel Akademie. Die Krippe kann da im Monat 1.300 Euro verschlingen, ein Platz für Größere gut 1.000 Euro.
München zieht dennoch Neubürger an. Was zählt, sind Jobs. Allein 2012 kamen rund 24.400 sozialversicherungspflichtige Stellen dazu. Doch wächst auch der Widerstand. Mieter in der Maxvorstadt wehren sich gegen angeblich defekte Heizungen oder abgedrehtes Wasser, weil sich einzelne Hausbesitzer mehr Miete von den nächsten Bewohnern erhoffen. Künstler verhindern als Hausbesetzertrupp „Goldgrund“ den Abriss älterer Häuser im Glockenbachviertel. Auch in anderen Großstädten formiert sich eine neue Generation Hausbesetzer, die lautstark auf leer stehende Häuser aufmerksam macht.
Verbilligten Wohnraum bietet das „München Modell“, ein Artenschutzprogramm für die Mittelschicht. Es fördert zum Beispiel vierköpfige Familien, die bis zu 72.000 Euro Jahreseinkommen haben dürfen. Die Verwaltung stützt Fachhändler, indem sie städtische Ladenlokale billiger vermietet. Bayerns Heimatminister Markus Söder (CSU) will Landesbehörden aus Oberbayern in Randregionen verlegen.
Berlin versucht, Ferienwohnungen in Mietshäusern zu verhindern. Am Prenzlauer Berg darf in Altbauwohnungen kein zweites Bad entstehen – das gilt als Luxussanierung.
Boom-Städte schwenken beim Grundstücksverkauf um. In Berlin kann eine gute Idee das dicke Scheckbuch schlagen. So bekam die Kreuzberger Künstlergruppe Frizz23 den Zuschlag für ein Atelier- und Wohnhaus. Ähnliches gilt in Tübingen und Hamburg. In Jena beteiligen sich Bürger an Planungen in der Altstadt.
Suhl - Der ausgezehrte Ort
Suhl. Das reimt sich – auf cool. Um den Ort im Thüringer Wald und dieses Lebensgefühl zu verbinden, braucht es Geduld und Gitarren. Robert Kress, Thomas Adloff und zwei Freunde hatten beides. Ergrauter Plattenbau und breite Autoschneisen sind trist, aber Country-Sound hilft. Das YouTube-Filmchen „Biste Suhler, kommste cooler“ hat die 31-Jährigen hier berühmt gemacht. Sie hängen an ihrer „Geisterstadt“, wie es Adloff nennt. „Für Junge gibt’s ja nix.“ Zwei der vier Band-Mitglieder sind schon abgewandert und nur noch wochenends greifbar: Sängerin Katja lebt in Hamburg, der Regisseur des Musik-Clips, Micha, arbeitet in Erfurt.