Demographie Keine Kinder, große Sorgen

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Warum keine Kinder?

Die Zahl der Kinder pro Frau hat sich im vergangenen Jahr kaum verändert. Sie sank laut Statistischem Bundesamt leicht auf eine Geburtenrate von 1,36 Babys. Insgesamt wurden vergangenes Jahr 662.685 Babys geboren. Quelle: dapd

Jenseits der entkräfteten Fruchtbarkeits-Mythen begibt sich die Studie „Zukunft mit Kindern“ auf die Suche nach den wahren Gründen des deutschen Kindermangels, um Ansatzpunkte für eine zeitgemäße Familienpolitik zu finden. Die Wissenschaftler gehen dabei nicht davon aus, dass Familienpolitik gezielt die Geburtenrate in die Höhe treiben kann. Politiker brauchen die Deutschen aber auch gar nicht zu Kindern zu überreden, sondern müssen nur familienfreundliche Rahmenbedingungen schaffen. Denn Paare würden tendenziell gerne mehr Kinder haben, als sie dann tatsächlich in die Welt setzten. Deutsche Frauen zwischen 25 und 39 Jahren wünschen sich im Schnitt etwas mehr als zwei Kinder, bekommen tatsächlich aber nur 1,4. Würde Familienpolitik nur dabei helfen, den vorhandenen Kinderwunsch wahrzumachen, hätte Deutschland schnell die stabilisierende Geburtenquote von 2,1 erreicht – die Gesellschaft würde nicht mehr schrumpfen.

Zwar hängt die Anzahl der Kinder von zahlreichen psychologischen, sozialen, wirtschaftlichen und medizinischen Faktoren ab. Als Haupthemmnis für mehr deutschen Nachwuchs nennt die Studie aber das moderne Phänomen der sogenannten „Rushhour des Lebens“. Früher waren die Lebensaufgaben noch klar auf verschiedene Lebensabschnitte und Geschlechter verteilt: auf die Ausbildung in jungen Jahren, folgte für Männer das Berufsleben, für Frauen die Familienfürsorge, danach die Rente. Heutzutage ballen sich für alle Geschlechter gleichermaßen zahlreiche Herausforderungen im zweiten Lebensdrittel: Berufseinstieg, hohe Anforderungen des Jobs bei oft instabilen Arbeitsverhältnissen, Vereinbarung individueller Lebenswege der Partner, Pflege von familiären und freundschaftlichen Beziehungen und all die Flexibilitätsansprüche der modernen Gesellschaft.

Die Gehaltsdifferenzen nach Alter

Dieser Mehrfachbelastung fällt schlussendlich oft die Familienplanung zum Opfer, oder der Kinderwunsch wird soweit hinausgeschoben bis er an der unveränderten Biologie der modernen Menschen scheitert. Berufseinstieg und Karriere haben sich nach hinten verschoben und damit auch die Familiengründung. Das Alter, in dem deutsche Frauen gebären, ist seit den 1970er Jahren kontinuierlich gestiegen. Auch die Prioritäten der Deutschen haben sich verändert: Sie haben lieber weniger Kinder, denen sie dann aber mehr bieten können.

Viele der momentan existierenden familienpolitischen Maßnahmen waren in der Zeit, in der sie eingeführt wurden durchaus sinnvoll, passten aber nicht mehr zu den veränderten Lebensläufen vieler Deutscher. Auf der Suche nach einem Konzept für eine moderne Familienpolitik, stellt die Studie „Zukunft mit Kindern“ das Wohlbefinden der Familien ins Zentrum. Das Zusammenspiel von drei Bereichen der Familienplanung seien entscheidend, um den Kinderwunsch zu realisieren: Zeit, Geld und Infrastruktur. Die Studie legt kein vollständiges familienpolitisches Konzept vor, sondern gibt einige Anregungen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sich um integrative und flexible Familienkonzepte zu bemühen.

Politik und Unternehmen müssten für flexible Arbeits- und Lebenszeitmodelle sorgen, um die „Rushhour“ in den mittleren Jahren zu entzerren und Kinder allein zeitlich möglich zu machen: Über die Elternzeit hinaus müssten weitere Familienzeitmodelle erarbeitet werden, die die Aufteilung von Zeit für den Job und Zeit für den Nachwuchs ausbalancieren und die Familienplanung flexibilisieren. Etwa eine Arbeitszeitverlängerung nach hinten, also über das gesetzliche Rentenalter hinaus, wäre eine denkbare Möglichkeit, um die „Rushhour“ im mittleren Lebensalter zu entzerren und so Kinder manchmal überhaupt erst möglich zu machen.

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