Denkfabrik Die Regierung braucht Mut zu sinkenden Steuern!

Die Politik muss auf die Überschüsse im Staatshaushalt reagieren, wenn sie unseren Wohlstand langfristig sichern will. Zum Beispiel mit einer Zusammenlegung von Körperschaft- und Gewerbesteuer.

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Hier schmeißt der Staat das Geld zum Fenster raus
Das Schwarzbuch 2017/18, herausgegeben vom Bund der Steuerzahler Deutschland. Quelle: dpa
Münchner Maximilianeum Quelle: dpa
Schutzwürdige Bäume in Hameln Quelle: dpa
Wohncontainer für Flüchtlinge Quelle: dpa
Bundestag Quelle: dpa
Frankfurt am Main Quelle: dpa
Ehrenbürg-Gymnasium in Forchheim Quelle: dpa

Zwischen Januar und Juni haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen einen Überschuss von 18,5 Milliarden Euro erzielt. Im Gesamtjahr 2016 werden die Budgetüberschüsse der beiden Vorjahre (8,1 beziehungsweise 29,5 Milliarden Euro) wohl übertroffen. Reagieren kann die Politik darauf nun auf dreierlei Weise: durch Nichtstun, eine Erhöhung der Ausgaben oder eine Senkung der Einnahmen.

Die Option Nichtstun ist unrealistisch, weil Deutschland bei Budgetüberschüssen unter internationalen Druck gerät. Vordergründig wird in solchen Fällen ein „Stimulusprogramm“ verlangt, tatsächlich aber empfinden Defizitsünder die deutsche Demonstration, dass es auch anders geht, als Provokation.

Eine Erhöhung der Staatsausgaben als zweite Option würde die Politik der letzten Jahre fortsetzen. Hiervor kann man nur warnen: Eine günstige finanzwirtschaftliche Lage vermag, wie zuletzt zur Jahrtausendwende, jederzeit in ihr Gegenteil umzuschlagen. Ausgabensenkungen sind dann schwierig und schmerzhaft. Einige Nachbarländer, die den Staatshaushalt überspannt haben, gemahnen daran.

Zur Person

Könnte das Geld aber nicht zur Verbesserung der Infrastruktur eingesetzt werden? Theoretisch ist das möglich, praktisch aber nicht, weil der Zeithorizont nicht passt. Wegen der zähen staatlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren, die durch Bürgerinitiativen und Prozesse zusätzlich verzögert werden, ist es unmöglich, Budgetüberschüsse rasch durch Infrastrukturinvestitionen abzubauen.

Dies verdeutlicht die Hochmoselbrücke, die im Januar 2009 als Teil des „Konjunkturpakets II“ beschlossen wurde und deren Fertigstellung aktuell für 2018 geplant ist. Natürlich wäre es richtig, die mittelfristigen Ansätze für Instandhaltungsmaßnahmen zu erhöhen; man darf sich nur keine sofortige Wirkung versprechen.

Damit bleiben Steuersenkungen als dritte Möglichkeit. Hierfür wurden zuletzt zahlreiche Vorschläge gemacht, die sich auf die Einkommensteuer konzentrieren. Für eine Senkung des Einkommensteuertarifs spricht, dass die Steuerpflichtigen zumindest einen Teil der Mehrbelastungen zurückerhielten, die in den vergangenen Jahren aufgrund der „kalten Progression“ entstanden.

Drei große Vorteile einer Anhebung der Körperschaftsteuer

Könnte man Steuern unabhängig von politischen Zwängen senken, wäre eine Tarifreform bei der Einkommensteuer aber nicht erste Wahl. Vielmehr eröffnen Budgetüberschüsse ein Zeitfenster, volkswirtschaftlich besonders vorteilhafte Reformen anzugehen, wenngleich die Vorteile eher mittelfristig entstehen. Hierzu gehört an erster Stelle die Zusammenlegung der Gewerbe- und Körperschaftsteuer, die Gewinne von Kapitalgesellschaften mit je 15 Prozent belasten.

Eine Anhebung des Körperschaftsteuersatzes auf 30 Prozent bei Wegfall der Gewerbesteuer und stärkerer Beteiligung der Gemeinden am Aufkommen der Körperschaft- und Einkommensteuer kostet nicht viel, hat aber drei große Vorteile.

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Erstens würden mit der Gewerbesteuer millionenfache Erklärungen und Prüfungen entfallen.

Zweitens ist die Gewerbesteuer, die ausschließlich Tätigkeit in Deutschland belastet, ein Triebfaktor, verlängerte Werkbänke ins Ausland zu verlagern. Wer Arbeitsplätze in Deutschland fördern will, muss eine Steuer ablehnen, die diese Arbeitsplätze verteuert.

Drittens würde die „Hinzurechnung“ von Kosten entfallen, die für manche Unternehmen einer „Hinrichtung“ gleichkommt. Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst die Steuerbelastung eines Tankstellenpächters durchgewinkt, der auf 15.839 Euro Gewinn nicht weniger als 86 Prozent Gewerbe-, Körperschaft- und Abgeltungsteuer zahlen sollte. Der Einwand, Artikel 28 des Grundgesetzes garantiere die Gewerbesteuer, geht fehl, weil diese Norm nur ein Hebesatzrecht für eine „wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle“ schützt, die mit der Grundsteuer ohnehin zur Verfügung steht.

Auf Platz zwei der Prioritätenliste stünde die Abschaffung der Grunderwerbsteuer, die den Immobilienerwerb von Familien, aber auch Umstrukturierungen in Konzernen, mit bis zu 6,5 Prozent belastet. Dieses verkehrssteuerliche Relikt, das Mobilität und Flexibilität bestraft und mit einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nichts zu tun hat, wirkt wie aus der Zeit gefallen.

Derartige Vorschläge lassen sich zu Wahlprüfsteinen für die Bundestagswahl 2017 machen – damit es nicht wie 2013 zu einem Wettlauf um die höchsten Wohlfühlausgaben kommt.

Verantwortliche Politik bedeutet nicht maximale Transfers, sondern langfristige Sicherung unseres Wohlstands.

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