Denkfabrik RWI-Studie: Wehrpflicht und Zivildienst schaden der Volkswirtschaft

Wehr- und Zivildienst sind ein volkswirtschaftliches Minusgeschäft. Aus ökonomischer Sicht gibt es keine stichhaltigen Gründe für ihren Erhalt, schreibt RWI-Vizepräsident Thomas Bauer.

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Seit Ende des Kalten Kriegs ist die primäre militärische Bedrohung weggefallen, die zur Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland geführt hatte. Es dürfte zudem unstrittig sein, dass die veränderte Rolle der Bundeswehr als mobile Einsatztruppe bei der Friedenssicherung in Krisengebieten professionellere Strukturen erfordert, als es eine Armee von Wehrpflichtigen gewährleisten kann. Dass sich trotzdem die Wehrpflicht – und damit auch der Zivildienst – so lange gehalten haben, lässt sich aus ökonomischer Sicht durchaus erklären.

So legt die ökonomische Theorie der Bürokratie nahe, dass beim Fortfallen der ursprünglichen Existenzberechtigung von Institutionen oft die Tendenz besteht, eine neue Begründung für diese Existenz nachzuschieben. Nachgeschobene Rechtfertigungen aber, so mahnt die Ökonomik, sind äußerst kritisch zu bewerten.

Was spricht für und was gegen die Verpflichtung jüngerer Männer zu einem gesellschaftlichen Dienst? Dafür sprechen zunächst erzieherische Gründe. Mögliche Argumente sind die bessere Einordnung in Abläufe und Organisationen, das Schärfen von Verantwortungsgefühl, das Einüben klarer Kommunikation oder der Einblick in soziale Notlagen. Allerdings lassen sich diese Erfahrungen genauso gut auf freiwilliger Basis, etwa durch ein Praktikum oder ein soziales Jahr, erwerben.

Da solche Aktivitäten auf dem Arbeitsmarkt immer stärker honoriert werden, dürften sie viele junge Männer auch freiwillig nachfragen. Auch das speziell beim Wehrdienst angeführte Argument, die Soldaten könnten später im Beruf von einem Netzwerk profizieren (im Sinne der Frage: „Haben Sie gedient?“), kann nicht als Rechtfertigung eines staatlichen Zwangs akzeptiert werden.

Erhebliche Kosten

Den vermeintlichen Vorzügen der Dienstpflicht stehen erhebliche Kosten gegenüber, denn die Betroffenen können während ihrer Dienstzeit nicht ihren Talenten und Neigungen entsprechend in Ausbildung investieren oder ihre Kompetenzen am Markt anbieten. Beispiel Zivildienst: Hierfür sind im Bundeshaushalt 2010 Ausgaben von rund 600 Millionen Euro vorgesehen. Zusätzlich aber fallen erhebliche indirekte Kosten für die Betroffenen an. Wehr- und Zivildienstleistende werden effektiv mit einer impliziten Steuer belegt.

Diese entspricht der Differenz zwischen dem Sold und dem potenziellen Einkommen, das die jungen Männer auf dem regulären Arbeitsmarkt hätten erzielen können. Diese in keiner Statistik erfasste Steuer verstößt gegen grundlegende Besteuerungsprinzipien. Es gibt für sie keine Rechtfertigung – insbesondere dann nicht, wenn der Staat die Sonderlast auch noch nach intransparenten, uneinheitlich angewendeten Kriterien auferlegt.

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