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Schafft die Rente mit 63 ab!

Um die Kosten der Flüchtlingskrise zu schultern, sollte die Politik weder Steuern noch Schulden erhöhen. Sondern die Rente mit 63 abschaffen. Eine Kolumne.

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Rente mit 63 Quelle: dpa

Die öffentliche Diskussion um die Finanzierung der Flüchtlingsausgaben nimmt Fahrt auf. Was die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen kostet, kann zwar derzeit niemand seriös beziffern. Trotzdem muss der Staat mit seiner mittelfristigen Finanzplanung auf die neue Lage reagieren. Kurzfristig helfen die unerwartet hohen Steuereinnahmen bei der Finanzierung. Doch was kommt dann?

Forderungen nach höheren Steuern hält die Politik gegenwärtig noch stand. Das ist gut so, denn höhere Steuern würden den Wachstumsmotor zum Stottern bringen. Auch neue Schulden sollten unterbleiben. Die Versuchung mag angesichts der niedrigen Zinsen hoch sein. Doch sollten wir aus der Schuldenkrise gelernt haben und uns nach Jahrzehnten wieder daran gewöhnen, mit ausgeglichenen Staatshaushalten zurechtzukommen.

Die 10 schlimmsten Fehler bei der Vorsorge
Schlecht informiertDie Deutschen kaufen Autos, Computer, Küchengeräte und gehen auf Reisen. Vor dem Kauf werden oft zahlreiche Testberichte gelesen. Geht es allerdings um Versicherungen und die eigene Vorsorge, sieht dies anders aus. Dabei sind ausreichende Informationen wichtig, um teure Fehlabschlüsse zu vermeiden. Quelle: Institut GenerationenBeratung IGB Quelle: Fotolia
Lückenhafte VorsorgeOft werden einzelne, wichtige Teile der Altersvorsorge vergessen. Dazu gehören: 1) individuelle Vorsorgevollmacht 2) Patientenverfügung 3) Klärung der Finanzen im Pflegefall 4) Testament Quelle: Fotolia
Die falschen Berater„Freunde, Familie und Bekannte in alle Vorsorgefragen einzubeziehen, ist wichtig und stärkt die Bindung zueinander. Doch sich allein auf ihren Rat zu verlassen, wäre fatal“, sagt Margit Winkler vom Institut GenerationenBeratung. Denn nur ausgebildete Finanzberater könnten auch in Haftung genommen werden. Sie sind verpflichtet, alle besprochenen Versicherungen und Vorsorgeprodukte zu dokumentieren. Quelle: Fotolia
Vorsorge ist nicht gleich VorsorgeJeder sollte seine Altersvorsorge an seine eigenen Bedürfnisse anpassen, pauschale Tipps von Beratern oder Freunden taugen in der Regel wenig. Je nach Familiensituation können andere Versicherung und Vorsorgeleistungen wichtig sein. „Vor allem in Patchwork-Situationen oder bei angeheirateten Ehepartnern gelten andere Spielregeln in der Vorsorge", sagt Winkler. Quelle: Fotolia
Schwarze Schafe Deshalb ist bei der Auswahl des Beraters Vorsicht geboten, in der Branche sind schwarze Schafe unterwegs. Geht ein Berater nicht auf die persönliche Situation ein oder preist ein bestimmtes Produkt besonders an, sollten die Kunden hellhörig werden.
Informiert ins GesprächWer Fehlern im Zuge von Falschberatung entgehen will, der muss sich vorher selber informieren. Je besser der Kunde im Beratungsgespräch selber informiert ist, desto eher kann er schlechte Berater enttarnen. Quelle: Fotolia
Vorsorge-FlickenteppichBeraterin Winkler warnt davor, zu viele Verträge bei vielen verschiedenen Beratern abzuschließen. Am Ende drohten Versicherte, den Überblick zu verlieren, besser sei eine ganzheitliche Lösung, die auf die individuelle Situation abgestimmt ist. Quelle: Fotolia

Wenn höhere Steuern und neue Schulden ausscheiden, muss die Politik nach Sparpotenzial bei den Staatsausgaben suchen. Spielraum gibt es vor allem bei den konsumtiven Ausgaben im Bundeshaushalt. Der mit Abstand größte Posten dieser Art ist der Bundeszuschuss von rund 80 Milliarden Euro, der in die gesetzliche Rentenversicherung fließt und dort ein Viertel der Ausgaben finanziert. Vor allem ist es Zeit, einen fundamentalen Fehler der Regierung zu korrigieren: die Rente mit 63.

Vor einigen Jahren hatte die Politik auf die Zeichen der Zeit reagiert und die Rente mit 67 eingeführt, die schrittweise bis 2029 in Kraft tritt. Das war absolut notwendig. Im Herbst 2013 hat die große Koalition dann die Spendierhosen angezogen und das Rad zurückgedreht. Der Protest vieler Ökonomen verhallte damals. Wir plädieren nun dafür, die Rente mit 63 rückgängig zu machen – und notfalls auch das Eintrittsalter für Renten und Pensionen schneller und stärker heraufzusetzen als bisher geplant.

Volle Pension ab 63 gibt es für Beamte nicht

Wie stark lässt sich der Bundeshaushalt damit entlasten? Wir haben verschiedene Szenarien mithilfe eines Simulationsmodells durchgerechnet, das die Entwicklung der Rentenfinanzen unter wechselnden Rahmenbedingungen recht genau abbildet. Fazit: Schaffen wir die Rente mit 63 ab 2016 ab, sinken die Rentenausgaben bis 2020 um gut zehn Milliarden Euro und die Bundesmittel für die Rente um 1,5 Milliarden Euro. Wird die laufende Heraufsetzung der Regelaltersgrenze so beschleunigt, dass sie bis 2023 auf 67 Jahre steigt (statt wie derzeit vorgesehen auf 66 Jahre), sinken die Rentenausgaben bis 2020 um mehr als 20 Milliarden Euro und die Bundesmittel um fast zwei Milliarden Euro.

So viel Rente bekommen Sie
DurchschnittsrentenLaut den aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bezogen Männer Ende 2014 eine Durchschnittsrente von 1013 Euro. Frauen müssen inklusive Hinterbliebenenrente mit durchschnittlich 762 Euro pro Monat auskommen. Quellen: Deutsche Rentenversicherung; dbb, Stand: April 2016 Quelle: dpa
Ost-Berlin mit den höchsten, West-Berlin mit den niedrigsten RentenDie Höhe der Rente schwankt zwischen den Bundesländern. Männer in Ostberlin können sich mit 1147 Euro Euro über die höchste Durchschnittsrente freuen. In Westberlin liegt sie dagegen mit 980 Euro am niedrigsten. Aktuell bekommen männliche Rentner: in Baden-Württemberg durchschnittlich 1107 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 1031 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 980 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1147 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 1078 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 1040 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 1071 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 1084 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 1027 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 1127 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 1115 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 1069 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 1098 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 1061 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 1064 Euro pro Monat Quelle: AP
Frauen mit deutlich weniger RenteFrauen im Ruhestand bekommen gut ein Drittel weniger als Männer. Auch sie bekommen in Ostberlin mit durchschnittlich 1051 Euro die höchsten Bezüge. Am wenigsten bekommen sie mit 696 Euro in Rheinland-Pfalz. Laut Deutscher Rentenversicherungen beziehen Frauen inklusive Hinterbliebenenrente: in Baden-Württemberg durchschnittlich 772 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 736 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 861 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 975 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 771 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 848 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 760 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 950 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 727 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 749 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 699 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 964 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 983 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 744 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 968 Euro pro Monat Quelle: dpa
Beamtenpensionen deutlich höherStaatsdienern geht es im Alter deutlich besser. Sie erhalten in Deutschland aktuell eine Pension von durchschnittlich 2730 Euro brutto. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist das ein Zuwachs von knapp 27 Prozent. Zwischen den Bundesländern schwankt die Pensionshöhe allerdings. Während 2015 ein hessischer Staatsdiener im Ruhestand im Durchschnitt 3150 Euro ausgezahlt bekam, waren es in Sachsen-Anhalt lediglich 1940 Euro. Im Vergleich zu Bundesbeamten geht es den Landesdienern dennoch gut. Im Durchschnitt kommen sie aktuell auf eine Pension von 2970 Euro. Im Bund sind es nur 2340 Euro. Quelle: dpa
RentenerhöhungIm Vergleich zu den Pensionen stiegen die normalen Renten zwischen 2000 und 2014 deutlich geringer an. Sie wuchsen lediglich um 15,3 Prozent. Quelle: dpa
Reserven der RentenkasseDabei verfügt die deutsche Rentenversicherung über ein sattes Finanzpolster. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung betrug die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage Ende 2014 genau 35 Milliarden Euro. Das sind rund drei Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Rechnerisch reicht das Finanzpolster aus, um fast zwei Monatsausgaben zu bezahlen. Nachfolgend ein Überblick, mit welcher Rente die Deutschen im aktuell im Durchschnitt rechnen können: Quelle: dpa
Abweichungen vom StandardrentnerWer 45 Jahre in den alten Bundesländern gearbeitet hat und dabei den Durchschnittslohn verdiente, bekommt pro Monat 1314 Euro ausgezahlt. Bei 40 Arbeitsjahren verringert sich die monatliche Auszahlung auf 1168 Euro. Wer nur 35 Jahre im Job war, bekommt 1022 Euro. Quelle: Fotolia

Bei einer radikalen Heraufsetzung der Altersgrenze bis 2020 auf 68 Jahre ergeben sich sogar Einsparungen bei Renten und Bundesmitteln von rund 50 Milliarden beziehungsweise sechs Milliarden Euro. Die gesetzliche Fortschreibung der Bundesmittel reagiert auf Änderungen des durchschnittlichen Rentenzugangsalters nur langsam. Angesichts der deutlich sinkenden Rentenausgaben ließen sich die Bundesmittel daher noch stärker herabsetzen als hier errechnet, ohne den Anteil des Bundes an der Rentenfinanzierung zu verringern.

Natürlich schlagen wir vor, dieselben Änderungen auch bei Beamten vorzunehmen. Eine volle Pension ab 63 gibt es für Beamte nicht. Die zuvor betrachteten Erhöhungen der Regelaltersgrenze auf 67 oder 68 Jahre führen bei der Beamtenversorgung bis 2020 gegebenenfalls aber zu Einsparungen von insgesamt 1,8 oder sogar neun Milliarden Euro, die vor allem Länder und Kommunen entlasten würden.

Eine stärkere Verlängerung der Lebensarbeitszeit entlastet auch Kranken- und Pflegeversicherung. Dort ließen sich die anstehenden Beitragserhöhungen dämpfen. Sie führt außerdem zu höheren Steuereinnahmen, da Löhne und Gehälter höher ausfallen als Renten oder Pensionen. Diese Mehreinnahmen lassen sich schwer abschätzen. Sie dürften in den verschiedenen Szenarien aber ebenfalls ein- bis zweistellige Milliardenbeträge erreichen.

Die Flüchtlinge müssen nicht dauerhaft solch finanzielle Lasten erzeugen, wie sie es derzeit tun. Wenn sie sich in den Arbeitsmarkt integrieren, werden die Lasten geringer und die Perspektiven für die öffentlichen Finanzen besser. Aber das gilt es abzuwarten. Gegenwärtig ist es richtig, unnötigen Luxus wie vorzeitige volle Renten abzuschaffen und bei den sonstigen Sozialausgaben Umschichtungen vorzunehmen, die längerfristig ohnehin anstehen.

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