Der neue Freiheitsindex Deutschland erlebt einen Abstieg auf Raten

Deutschland schränkt die Möglichkeiten der Bürger und Unternehmen immer stärker ein, sich wirtschaftlich zu engagieren. Einstige Krisenländer holen auf, zeigt ein globales Ranking der ökonomischen Freiheit.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Foto Zollzaun Quelle: dpa

Raten Sie mal: Welches Land gewährt seinen Bürgern und Unternehmern ein klitzeklein wenig mehr Freiheit als Ruanda und etwas weniger Freiheit als Litauen und Rumänien? Kleiner Tipp: Es ist ein starkes Land im alten Europa.

Richtig: Deutschland rangiert in der Rangliste ökonomischer Liberalität genau zwischen dem afrikanischen und den osteuropäischen Aufsteigerländern. Denn im neuen Jahresbericht „Economic Freedom of the World 2014“, der an diesem Montag weltweit vorgestellt wird, ist Deutschland im Vergleich zum Vorjahr von Platz 19 auf Rang 28 abgesackt. Selbst Armenien, Georgien und das autokratische Regime in Katar stehen im Ranking besser da. Das liegt zum einen daran, dass die weltweite Konkurrenz vielfach mehr Spielraum für wirtschaftliche Betätigung lässt. Es liegt aber auch an der stark zunehmenden Regelungsdichte hierzulande.

Europa abgeschlagen

Vier Eckpfeiler

Vier Eckpfeiler – individuelle Wahlfreiheit, freiwilliger Austausch auf Märkten, Wettbewerb und der Schutz der Person und des Eigentums – machen die wirtschaftliche Freiheit aus. Der Staat muss dazu das Privateigentum schützen, die Rechte der Bürger und vertragliche Vereinbarungen gewährleisten und für eine stabile Geldpolitik sorgen. Die Steuerlast sollte niedrig sein, Beschränkungen für den internationalen Handel – Zölle wie sonstige Hemmnisse – sind verpönt.

In den Index gehen insgesamt 42 Maßzahlen ein, vor allem auf Basis von Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und des World Economic Forum. Der neue Freiheitsbericht berücksichtigt die Werte des Jahres 2012 – gut anderthalb Jahre dauert es stets, bis für alle untersuchten Staaten die Daten vorliegen.

Der Umfang der Staatstätigkeit bemisst sich beispielsweise an der Höhe der Staatsausgaben, von Subventionen und Transfers, nach der Steuerbelastung und der Rolle des Staates als Unternehmer. Erstellt wird die umfangreiche Studie von einer Arbeitsgruppe internationaler Forschungsinstitute, angeführt vom Fraser Institute im kanadischen Vancouver. In Deutschland ist das Liberale Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit dabei.

Zu viel Unterstützung hemmt Wachstum und Wohlstand

Die Spitzengruppe (siehe Tabelle) der inzwischen 152 Staaten in der Rangliste ist im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Deutschland dagegen hat mit Position 28 wieder neun Plätze verloren; seit Jahren geht das schon so, der Indexwert ist nach einem Zwischenhoch wieder auf das Niveau von 1990 abgesackt. Im innereuropäischen Vergleich liegen nun bereits neun Länder vor der Bundesrepublik.

Allerdings schneiden manche große Euro-Staaten noch schlechter ab.

Deutschlands Profil

Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone, schafft nur Platz 58. Italien rangiert gar nur auf Rang 78. Während die wirtschaftliche Freiheit in den Industriestaaten meist stagniert, holen bislang wenig beachtete Reformstaaten wie Armenien, Georgien oder auch Irland deutlich auf.

Da sich nachweisen lässt, dass Wachstum und Einkommen mit zunehmender Freiheit steigen, dürfte der Aufholprozess dieser Länder voranschreiten. Das gilt erst recht für manchen Aufsteiger aus Afrika. Seit 1980 konnten dort vor allem Uganda und Ghana erheblich zulegen.

Zu viel reguliert

Deutschland schneidet traditionell beim Rechtssystem, dem Schutz des Privateigentums vor dem Zugriff des Staates und Dritter sowie in der Währungspolitik überdurchschnittlich gut ab. Da kann es sogar mit der Spitzengruppe mithalten.

Seine Schwächen liegen vor allem in der staatlichen Regulierung, wo es unter dem Durchschnitt bleibt. Nach wie vor ist insbesondere der Arbeitsmarkt juristisch verriegelt – hier ist der Abstand zur Spitzengruppe am größten, dicht gefolgt vom Kreditmarkt. In beiden Bereichen stagniert die Lage. Sogar schlechter als im vergangenen Jahr abgeschnitten hat die Bundesrepublik bei den Vorschriften für die Unternehmen – und damit auch bei der Bürokratie.

Allerdings zeigen hier alle Ländergruppen Schwächen.

Absolut größter Schwachpunkt aber ist die Staatstätigkeit. Hier sind es vor allem die Unterstützungszahlungen aller Art, die im Vergleich zu früheren Vergleichen noch zugenommen haben. „Mehr Transfers und Subventionen, eine seit Jahren erodierende Unabhängigkeit der Justiz sowie zunehmende nicht tarifäre Handelshemmnisse gefährden auf lange Sicht Wachstum und Wohlstand“, kritisiert Detmar Doering, Leiter des Liberalen Instituts. „Die Bundesregierung sollte ihre großzügig bemessenen Spendierhosen ausziehen und der Wirtschaft zukünftig verlässlichere Rahmenbedingungen bieten.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%