Deutsche Bank Schäubles schnelle Rettungstruppe

Höchst nervös verfolgt die deutsche Politik das Drama um Deutschlands wichtigste Bank. Droht ihr der Kollaps, könnte das die Märkte ins Chaos stürzen? Diese Menschen sollen es verhindern.

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Baustelle Deutsche Bank: Was kann die Politik nach dem Vertrauensverlust tun? Quelle: dpa Picture-Alliance

Urlaubssperre? Ach was. Wochenendsperre gilt derzeit im Bundesfinanzministerium. Dort regiert Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dienstältestes Kabinettsmitglied, krisenerprobt von Lehman Brothers bis Griechenland. Nun treibt ihn das Schicksal einer deutschen, eher: DER Deutschen Bank um. 

Schäubles Beamte prüfen derzeit fieberhaft Bilanzen, sie verfolgen die Aktienkurse, sie kleben an internationalen Finanzmarkttickern. Und sie prüfen, ob der von der Bank selbst erstellte „Living will“ tatsächlich als „Notfallplan“ taugt, so wie es die Bankenaufsicht vorschreibt. Dazu stehen sie in engem Kontakt zu BaFin und Bundesbank in Frankfurt sowie zu der Deutschen Elke König, die in Brüssel als Chefin des Single Resolution Board (SRM) für die Abwicklung maroder Banken zuständig ist.

Schäubles engste Vertraute
Martin Jäger Quelle: dpa
Levin Holle Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Foto: Jörg Rüger
Elke König Quelle: dpa
Thomas Steffen Quelle: Bundesministerium der Finanzen
Lars-Hendrik Röller Quelle: PR

Ein Blick auf die Menschen, auf die sich Schäuble verlässt, sollten bei der Frankfurter Traditionsbank die Lichter auszugehen drohen – und die Politik gefragt sein:

Der Vertraute: Martin Jäger

Wenn sich einer mit Krisen auskennt, dann Jäger. Er war schon deutscher Botschafter im kriegsumtobten Afghanistan, damals hatte er stets Leibwächter der GSG9 an seiner Seite. Dann kam der hochgewachsene Mann, der auch schon Sprecher des Auswärtigen Amtes war und Cheflobbyist für Daimler, zu Schäuble in eine eigens geschaffene Position, eher Chief of Staff als „nur“ ein Sprecher. Jäger hat die Krisen der vergangenen Jahre ganz eng begleitet, nun schickt Schäuble ihn ins  CDU-Krisengebiet Baden-Württemberg. Dort soll Jäger als Staatssekretär dem Vize-Ministerpräsidenten – und Schäuble-Schwiegersohn - Thomas Strobl – in der grün-schwarzen Koalition den Rücken freihalten und für mehr innere Sicherheit sorgen, etwa Abschiebungen straffer organisieren. Diesen Freitag gibt Jäger seinen Ausstand im Porzellansaal des Finanzministeriums. Aber er bleibt natürlich einer von Schäubles wichtigsten Ansprechpartnern, auch in der Krise um die Deutsche Bank. 

Der Fachmann: Levin Holle

Der  Jurist leitet im Bundesfinanzministerium die Abteilung Finanzmarktpolitik. Dort kümmert sich Holle unter anderem um das Schuldenmanagement des Bundes, überwacht die Finanzmarktstabilisierungsanstalt sowie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und ist zuständig für Finanzmarktregulierung.  Vor seinem Wechsel zu Schäuble arbeitet er knapp 15 Jahren für die Unternehmensberatung BCG und stieg dort zum Seniorpartner auf. Für den Job im Finanzministerium soll Holle deutliche Gehaltseinbußen hingenommen haben – ihn erwähnt Schäuble gerne, wenn es darum geht zu zeigen, dass auch der Staat seit der Finanzkrise Expertise vorweisen kann, die mit den Abteilungen der Banken und Finanzinstitutionen mithalten kann. 

Die Frau in Brüssel: Elke König

Bei der Europäischen Union ist eine Deutsche für die Abwicklung maroder Banken zuständig. Die studierte Betriebswirtin übernahm im Frühjahr 2015 den Vorsitz der neugegründeten europäischen Abwicklungsbehörde, genannt Single Resolution Board (SRM). Vor ihrem Wechsel nach Brüssel war König drei Jahre lang Präsidentin der deutschen Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin und auch mal Vorstandsmitglied des Versicherungskonzerns Hannover Rück. Als Mitglied des International Accounting Standards Board in London setzte sie zudem internationale Standards für den Kapitalmarkt. 

Der Staatssekretär: Thomas Steffen

Schäubles Staatssekretär ist im Bundesministerium für Finanzen unter anderem für die Abteilungen Finanzpolitische und volkswirtschaftliche Grundsatzfragen sowie Finanzmarktpolitik zuständig. Der studierte Jurist gilt als akribischer Aktenfresser und stets bestens vorbereitet –und er sucht nicht selbst das Rampenlicht, etwas anders als sein Vorgänger Jörg Asmussen. Der wirkte danach bei der Europäischen Zentralbank und als Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium und bastelte gerne öffentlich an seiner eigenen politischen Karriere. 

Der Mann im Kanzleramt: Lars-Hendrik Röller

Er sei beschäftigt, ein Euphemismus. Röller ist für Kanzlerin Merkel der Wirtschaftsflüsterer, Leider der wichtigen Wirtschafts-und Finanzabteilung im Bundeskanzleramt. Der Akademiker, zuvor Chef der Berliner Eliteschmiede „European School of Management and Technology“, hatte keinen leichten Stand, als er den einflussreichen Posten 2011 übernahm. Zu verkopft, lautete der Vorwurf. Doch spätestens mit der erfolgreichen Vorbereitung des G7-Gipfels auf Schloss Elmau im Jahr 2015 schaffte er im Kanzleramt den Durchbruch. Nun ist Röllers Rat in allen Krisen sehr gefragt. Den nachdenklichen Ökonomen und passionierten Tennisspieler treiben Fragen um, wie sich der Staat in Krisenzeiten verhalten – oder zurückhalten – soll.

Heißes Öl für die Finanzmärkte

Fest steht: Es wird scharf geschossen in diesen hektischen Tagen. Als etwa die ZEIT am Mittwoch mit einem Vorabbericht voran preschte, es werde an einem Rettungsplan für die Bank in Berlin und Brüssel gearbeitet, der einen möglichen Staatseinstieg von bis zu 25 Prozent vorsah, dementierte man hart.

Vertraulich heißt es aus dem Ministerium, alle Spekulationen über derartige Pläne seien „unverantwortlich“ – und Journalisten, die sie verbreiteten, sollten besser hohe Haftschutzversicherungen haben, weil die Bank sie verklagen könne. „Allein am Montag haben sich viele Menschen eine goldene Nase mit Spekulationen gegen die Bank verdient“, heißt es weiter. Daher müsse man nun im Ministerium absolut seriös bleiben und jede offizielle Auskunft verweigern.

Tatsächlich will Schäuble alles vermeiden, was die Gerüchte um eine akute Schieflage des Geldinstituts befeuert. Und ein möglicher Rettungsplan wäre heißes Öl für die Finanzmärkte. Schäuble kennt sich mit dieser Wirkung aus – im Februar versuchte er angesichts eines Kurssturzes am Rande eines deutsch-französischen Ministertreffens Gelassenheit zu demonstrieren und sagte: „Nein, ich mache mir keine Sorgen um die Deutsche Bank.“ Dass er sich überhaupt zur Lage der Bank äußerte, wurde Schäuble damals böse um die Ohren gehauen, seitdem ist sein Haus noch vorsichtiger.

Dennoch wirft die Opposition Schäuble massive Versäumnisse vor. Der grüne Finanzpolitiker Gerhard Schick kritisiert, dass das Bundesfinanzministerium offenbar erst jetzt den Notfallplan für die größte Bank Deutschlands genauer unter die Lupe nehme, „Deutschland hat jetzt keinen funktionsfähigen Plan für Notfälle“, sagte Schick der WirtschaftsWoche. Dabei könne niemand bestreiten, dass die Deutsche Bank „too big to fail“ sei – also im Notfall staatlich gestützt werden müsse. 

Aus der Union erklärt Bundestagsfraktionsvize und Bankenexperte Michael Fuchs zwar: „Nach meinem Kenntnisstand gibt es keine Rettungspläne der Regierung.“ Er gehe davon aus, dass dies auch nicht nötig sei. Und falls die Deutsche Bank doch in die Knie zu gehen droht? Fuchs: „Dann wäre eine Kapitalerhöhung der erste Schritt, bevor der Bund einsteigt.“ Auch der CDU/CSU-Obmann des Finanzausschusses des Bundestages, Hans Michelbach, sagt: „Dass wir der Deutschen Bank mit Steuergeldern helfen, ist nicht vorstellbar.“

Im Bundesfinanzministerium weist man zu dieser Frage auch darauf hin, dass die Deutsche Bank wohl mehrheitlich in ausländischer Aktionärshand sei. Und mit deutschem Steuergeld reiche Ausländer raushauen – das käme gar nicht gut an beim Wähler. Also müsste es beim dreistufigen EU-Verfahren bleiben, laut dem zunächst die Eigentümer, dann die Gläubiger und am Ende erst die Steuerzahler bluten müssten.

Aber wäre dem wirklich so? Das Kanzleramt hat bei früheren Krisen der Bank bereits intern debattiert, wie etwa mit einem denkbaren Übernahmeangebot durch einen ausländischen Investor umgegangen werden solle. Und der frühere Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat keine Zweifel, dass bei einer drohenden Pleite der einstigen Vorzeigebank der Staat einspringen müsse. „Das ist gar keine Frage. Es würde alles unternommen werden, um den Laden am Laufen zu halten“, sagte zu Guttenberg der WirtschaftsWoche. Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte der dazu: „Ich halte mal lieber den Mund, um keine falschen Ankündigungen zu machen. Aber ich widerspreche Herrn Guttenberg keineswegs“.

Im Kreis der SPD-Finanzexperten ist man sich sehr bewusst, wie brisant die Lage ist. „Wir sind heilfroh, dass das in den CDU-Beritt und die Verantwortung von Finanzminister Schäuble fällt“, sagt ein führender Sozialdemokrat.

Beziehungsweise in den Beritt von Schäubles schneller Rettungstruppe.

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