Deutsches Menschenrechtsinstitut Bundesregierung droht außenpolitische Blamage

Bislang war das Deutsche Institut für Menschenrechte als Verein geführt worden, nun streiten SPD und Union über seinen künftigen Status. Eine Einigung ist nicht in Sicht – es droht eine außenpolitische Blamage.

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Gegner des Entwurfs von Erika Steinbach (CDU) werfen der Union vor, sie wolle der Politik mehr Einfluss auf das unabhängige Menschenrechtsinstitut verschaffen. Quelle: dpa

Berlin Bei der Umsetzung ihres Koalitionsvertrags sind Union und SPD auf einen neuen Stolperstein gestoßen, mit dem so niemand gerechnet hatte. Es geht um die Aufgaben und die Rechtsform des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR). Das klingt nach staubtrockener Gesetzgebungsmaterie, ganz im Gegensatz zu den gesellschaftspolitischen Aufreger-Themen der vergangenen Monate, vom Mindestlohn bis zur Frauenquote.

Trotzdem: Einer Koalitionsarbeitsgruppe ist es in den vergangenen Wochen nicht gelungen, eine Einigung zu erzielen. Deshalb sollen bald die Fraktionsvorsitzenden über die Zukunft des Instituts sprechen. Die Zeit drängt. Denn wenn bis März keine gesetzliche Grundlage für das DIMR vorliegt, könnte Deutschlands nationale Menschenrechtsorganisation ihren „A-Status“ verlieren.

Das heißt, das vor knapp 15 Jahren gegründete Institut hätte keine vollen Mitwirkungsrechte mehr bei den Vereinten Nationen. „Wenn uns der A-Status aberkannt würde, dann wäre das eine immense Blamage, nicht nur für die deutsche Außenpolitik, sondern für die gesamte Bundesregierung“, warnt DIMR-Direktorin Beate Rudolf.

Doch worum geht es bei dem Streit überhaupt? Im November hätte das Kabinett über einen Gesetzentwurf aus dem von Heiko Maas (SPD) geführten Bundesjustizministerium abstimmen sollen. Der Entwurf hätte erstmals eine gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Instituts geschaffen, ohne große Veränderungen am Status Quo vorzunehmen.

Doch Erika Steinbach (CDU), die Vorsitzende der Menschenrechts-Arbeitsgruppe der Unionsfraktion, stoppte den Entwurf. Kurz darauf legte die Union einen Gegenentwurf vor, der sowohl in der SPD als auch bei der Institutsleitung und mehreren Menschenrechtsgruppen auf massive Kritik stieß.

Die Gegner des „Steinbach-Papiers“ werfen der Union vor, sie wolle der Politik mit ihrem Entwurf mehr Einfluss auf das bislang unabhängige Institut verschaffen. Vor allem bei der Frage, ob das Institut ein Verein bleiben soll, wie es der ursprüngliche Entwurf vorsieht, oder ob es in eine Anstalt öffentlichen Rechts umgewandelt werden sollte, wie es die Union wünscht, liegen die Positionen weit auseinander.


„Der Schaden wäre enorm“

„Ich sehe da einen fundamentalen Dissens“, sagt Frank Schwabe (SPD). Seiner Ansicht nach muss das Institut ein Verein bleiben, „weil diese Rechtsform größtmögliche Unabhängigkeit bietet.“ Weshalb Steinbach mit dem Verein so unzufrieden ist, bleibt etwas nebulös.

Aus Kreisen der SPD und der Grünen hört man, es sei bei einigen Unionspolitikern wohl nicht gut angekommen, dass der Verein die Zustände in deutschen Seniorenheimen untersucht hatte und der Frage nachgegangen war, ob unsere Polizisten vielleicht zu häufig ausländisch aussehende Menschen nach dem Ausweis fragen.

Auch DIMR-Chefin Rudolf kann nur mutmaßen. Sie sagt: „Wir wissen nicht, ob und wenn ja womit wir den Unmut einzelner Personen auf uns gezogen haben könnten. Dass wir uns mit dem Thema Rassismus beschäftigen, verstehen manche als Nestbeschmutzung.“

Aus Sicht von Amnesty International bedroht der Unionsentwurf, der das Institut in den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes eingliedern will, die Unabhängigkeit des DIMR. „Der Schaden, den die Union anzurichten droht, wäre enorm“, warnt Selmin Çaliskan, die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation in Deutschland.

Das sieht Michael Frieser (CSU) ganz anders. Er sagt: „Die Rechtsform Verein steht im Widerspruch zu der notwendigen Stabilität.“ Auch seien die Parteien, die Kirchen, die Medien und die staatliche Seite derzeit in den Gremien des DIMR zu schwach vertreten.

DIMR-Direktorin Rudolf verweist derweil auf den guten Ruf, den sich ihr Institut inzwischen bei Behörden und Zivilgesellschaft erworben habe. Sie warnt: „Die deutsche Menschenrechtspolitik ist nicht glaubwürdig, wenn sie nicht auch selbstkritisch ist.“

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