Deutschlands Mittelschicht schwindet In Richtung amerikanischer Verhältnisse

Das DIW vergleicht die Entwicklung der Mittelschicht in Deutschland und den USA. Es gibt schockierend eindeutige Parallelen – und ein paar feine Unterschiede.

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Das DIW vergleicht in die Entwicklung der Mittelschicht in Deutschland und den USA. Quelle: dpa Picture-Alliance

Deutschland und die USA sind enge Handelspartner, auch politische verbindet die beiden Demokratien viel. Die soziale Realität aber scheint sich fundamental zu unterscheiden. Hier die Mittelstandsgesellschaft, da das Land der Extreme mit unfassbarem Reichtum und echten Überlebenskämpfen mitten in den Großstädten.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt nun aber, dass die Einkommensverhältnisse in den beiden Ländern gar nicht mehr so weit auseinander liegen, wie es scheint.

Aus der Studie lassen sich detaillierte Schlüsse über die Einkommensverhältnisse in Deutschland ziehen, wie die Titel-Geschichte der WirtschaftsWoche zeigt (Premium-Inhalt). Zudem ermöglicht sie auch einen deutlich besseren Vergleich mit den USA, als er bisher möglich war. Denn für gewöhnlich werden zur Klassifizierung der Mittelschicht in Deutschland und den USA unterschiedliche Maßstäbe verwendet.

von Konrad Fischer, Marc Etzold, Max Haerder

Während in den USA meist die Bruttoeinkommen verglichen werden, beziehen deutsche und andere europäische Wohlstandsforscher die Umverteilung durch Steuern und Sozialtransfers in ihre Untersuchungen mit ein. Das hat den Vorteil, dass die Vergleichsdaten näher am real verfügbaren Einkommen liegen, der internationale Vergleich aber wird dadurch stark verzerrt.

Deutsche und amerikanische Mittelschicht ähneln sich sehr

Für die nun vorliegende Studie hat das DIW deshalb erstmals mit den in den USA verbreiteten Methoden auf die Entwicklung in Deutschland geblickt. Das macht die Befunde nicht nur vergleichbar. Das Bruttoeinkommen bildet auch das Lebensgefühl der Menschen besser ab. Wessen Einkommen durch Sozialtransfers soweit aufgestockt wird, dass er in die Mittelschicht vorstößt, mag dieser Klasse zwar zahlenmäßig angehören, dürfte sich selbst aber weiterhin als Teil der Geringverdiener begreifen.

Das erschreckende Ergebnis des Vergleichs lautet nun in einem Satz: Deutschland und die USA sind sich ähnlicher als man denkt.

Zählt man zur Mittelschicht alle Menschen, die zwischen 67 und 200 Prozent des Medianeinkommens verdienen, umfasst diese in Deutschland noch 61 Prozent der Bevölkerung. In den USA sind es 50 Prozent, also noch ein gutes Stück weniger. Als Medianeinkommen wird das Bruttoeinkommen bezeichnet, das die Bevölkerung in zwei genau gleich große Hälften teilt.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre jedoch weist erstaunliche Parallelen auf. Seit Anfang der Achtzigerjahre ist die Mittelschicht in den USA um neun Prozentpunkte geschrumpft, in Deutschland waren es acht Punkte.

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Die Mittelschicht schrumpft damit in Deutschland genauso schnell wie in den USA. Zwar verraten diese Zahlen wenig über die sozialen Verhältnisse, dafür umso mehr über die Dynamik der Einkommen.

Trotz Wachstums muss der Staat in Deutschland also immer mehr umverteilen, um die Ungleichheit im Land im Zaum zu halten.

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