Deutschlandtag der Jungen Union Nach der Schockstarre in Sachsen

Die Sachsen-CDU ist aus dem Gleichgewicht, nachdem die AfD im Freistaat bei der Bundestagswahl stärkste Kraft wurde. Dabei wollte man beim Deutschlandtag der Jungen Union ein selbstbewusster Gastgeber sein.

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Sätze wie „Die Leute wollen, dass Deutschland Deutschland bleibt“ kannte man von Tillich bisher nicht. Quelle: dpa

Dresden Der Satz schlug wie eine Rakete ein: „Ich sorge mich um mein Lebenswerk“, sagte Sachsens früherer Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) diese Woche in einem Interview mit dem Radiosender Bayern 2 und griff den heutigen Amtsinhaber Stanislaw Tillich (CDU) an. Ihm fehle die „Vorbildung“ für das Amt, denn er habe „das nie gelernt“: „Er lebt ein bisschen in einer anderen Welt, ist primär interessiert an Kompromissen.“ Was „König Kurt“ - so nennen die Sachsen ihren ersten Regierungschef nach der Wende bis heute - dazu bewog, am fernen Chiemsee derartig auszuteilen, bleibt im Dunkeln. Allerdings werfen die Worte zugleich ein Licht auf den Zustand der sächsischen Union.

Tatsache ist: Mit Biedenkopf an der Spitze gewann die CDU drei Landtagswahlen mit absoluter Mehrheit und schaffte in Sachsen bayerische Verhältnisse. Der heute 87 Jahre alte Politiker genoss den Ruf eines Landesvaters. Dass er 2002 nach Affären vorzeitig ging, hat sein Bild in der Öffentlichkeit und auch in der CDU bei vielen kaum getrübt. Biedenkopfs Nachfolger Georg Milbradt (CDU) musste schon einen Partner in die Regierung holen, damit die Union weiteregieren konnte. 2008 übernahm Tillich (58), der bis dato bereits als Chef der Staatskanzlei und Minister in mehreren Ressorts Erfahrung sammeln durfte. Doch absolute Mehrheiten waren auch ihm nicht mehr vergönnt.

Dennoch zweifelte bis zur Bundestagswahl kaum jemand daran, dass die CDU auch fortan die bestimmende Macht im Freistaat sein würde. In der Opposition war meist nur von der „Staatspartei“ die Rede. Dann kam der Wahlabend. Die AfD erreichte in Sachsen mit 27,0 Prozent ihr bundesweit bestes Ergebnis und landete sogar knapp vor der CDU (26,9). Dazu nahmen die Rechtspopulisten der Union auch noch drei Direktmandate ab, ein viertes gewann ein Linker. Ausgerechnet CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer, der als möglicher Kronprinz und damit künftiger Nachfolger Tillichs gilt, verlor seinen Job im Bundestag und muss sich nun neu finden.

Nachdem sich die erste Schockstarre gelöst hatte, machten führende Unionspolitiker in Sachsen vor allem den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik als Grund für das Debakel aus. Dass Merkel ihre Entscheidung zur Grenzöffnung bis zuletzt verteidigt habe, stieß Landtagsfraktionschef Frank Kupfer sauer auf: „Das begreifen die Menschen nicht, das begreife auch ich nicht. Das war ein Fehler“, sagte er in der Vorwoche am Rande einer Landtagssitzung. Die Leute hätten genug von Veränderungen, wollten weder Multikulti noch Moscheen in Sachsen: „Der Islam gehört weder zu Deutschland noch zu Sachsen.“ Wenig später schwenkte auch Tillich nach rechts ein.

Sätze wie „Die Leute wollen, dass Deutschland Deutschland bleibt“ kannte man von Tillich bisher nicht. Nach den fremdenfeindlichen Hasstiraden auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise war er bemüht, Sachsen und seine Bürger als weltoffen und tolerant darzustellen. Deshalb gibt es nun auch in der CDU Widerspruch zum Rechtskurs. Denn rechts und weltoffen passen nicht zusammen. Rico Gebhardt, Landesvorsitzende der sächsischen Linken, glaubt, dass mehr rechts nur die AfD weiter beflügelt. Grünen-Fraktionschef Volkmar Zschocke macht Biedenkopf für die Zustände im Land mitverantwortlich: „Das „Königreich Biedenkopf“ konnte sich in vielen Bereichen nicht über vordemokratische Zustände hinaus entwickeln.“

Bis zur nächsten Landtagswahl hat Tillich zwei Jahre Zeit, die Dinge wieder zu ordnen. Wenn man die Probleme löse und nachjustiere, könne man auch wieder erfolgreich sein, ist er überzeugt. Dass Biedenkopf eine Debatte um die politische Zukunft Tillichs anzettelt, dürfte den Weg aus der Krise nicht erleichtern. Bislang hielt sich die Staatskanzlei mit einer Reaktion zurück. Nur CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière, den sich Biedenkopf als Regierungschef in Sachsen wünscht, fuhr ihm in die Parade: „Ich teile die Auffassung von Kurt Biedenkopf nicht. Seine Vorschläge sind daneben“.

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