DGB Gewerkschaften wildern im Revier der Kollegen

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Eskalierende Grenzkonflikte

Neben der Logistik und Energiewirtschaft gibt es noch ein weiteres vermintes Gelände im Gewerkschaftslager: die ostdeutsche Wasserwirtschaft. Die dortigen Beschäftigten fielen nach der Wiedervereinigung der IG BCE zu, da die Branche zum Organisationsbereich der DDR-Bergbaugewerkschaft zählte. Kurz vor Amtsantritt des IG-BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis 2009 gab es zwischen seinem Vorgänger Hubertus Schmoldt und Verdi-Boss Bsirske eine – zunächst geheim gehaltene – Übereinkunft. Danach sollte die Tarifzuständigkeit sukzessive auf Verdi übergehen und die IG BCE keine neuen Verträge abschließen.

Die IG BCE bezeichnet den Deal heute allerdings nur als „lockere Absprache“ und denkt nicht daran, sich zurückzuziehen. Die Wasserwirtschaft zähle laut Satzung zum eigenen Organisationsbereich – und diese Satzung sei vom DGB genehmigt. Die erbosten Verdi-Kollegen organisierten daraufhin im sächsischen Annaberg mehrere Warnstreiks beim Versorger Erzgebirge Trinkwasser – für die IG BCE ein „beispielloser Vorgang“.

Verdi will konkurrierenden Tarifvertrag

Verdi will in Annaberg stellvertretend für andere Wasserbetriebe einen konkurrierenden Tarifvertrag durchsetzen – und tritt dabei pikanterweise nicht viel anders auf als die IG Metall im Fall Stute. Derzeit sei man dazu „in Vorgesprächen“ mit der Geschäftsleitung, berichtet Clivia Conrad, Verdi-Bundesfachgruppenleiterin für Wasserwirtschaft.

Mittlerweile beschäftigen die Grenzüberschreitungen auch die DGB-Instanzen. Im Fall Stute hat Verdi ein (bisher erfolgloses) Vermittlungsverfahren beim Dachverband eingeleitet. Im nächsten Schritt müsste das mit drei externen Arbeitsrechtlern besetzte DGB-Schiedsgericht einberufen werden – ein für alle Beteiligten unangenehmes Procedere.

Noch in diesem Monat sollen nun Spitzenfunktionäre von Verdi, IG Metall und DGB ausloten, ob sich das Schiedsgerichtsurteil noch vermeiden lässt und wie der Logistikbereich generell gewerkschaftlich organisiert werden soll. Den Funktionären ist bewusst, dass ihr Kleinkrieg bei den Arbeitnehmern nicht gut ankommt. Im Fall Annaberg haben IG BCE und Verdi daher eine Arbeitsgruppe gebildet, die prüfen soll, ob für die Beschäftigten des Wasserversorgers ein Verdi- oder IG-BCE-Tarifvertrag günstiger ist.

Stute-Manager Dieckhöfer nutzt das wenig. Seine Tarifverträge laufen Ende 2015 aus, und er muss befürchten, danach von zwei Gewerkschaften in die Zange genommen zu werden. Übermäßiges Vertrauen in die Konfliktlösungskompetenz der Gewerkschaften hat er nicht: Sein Unternehmen ist vor das Arbeitsgericht gezogen, da will es sich „weiterhin juristisch gegen den Tarifwirrwarr wehren“ – und falls erforderlich „den Instanzenweg ausschöpfen“.

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