Die finanzpolitischen Beziehungen innerhalb der Bundesrepublik und zwischen den Bundesländern sind ebenfalls Gegenstand zahlreicher Kritik. Wiederum stehen Anreizprobleme im Mittelpunkt. Warum sollte die Regierung im Saarland einen Euro sparen oder entsprechend höhere Steuern eintreiben, wenn mehr als 90 Cent wieder durch Kürzungen des Finanzausgleichs verloren gehen? Der Fall Nürburgring wird umso tragikomischer, wenn man sich der Worte des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Oettingers erinnert, der auf die Bitte, den Hockenheimring genauso zu fördern, wie sein Amtskollege in Rheinland-Pfalz den Nürburgring unterstützt, nur trocken antwortet, Rheinland-Pfalz als Nehmerland des Finanzausgleichs könne sich das leisten, Baden-Württemberg als Geberland aber nicht. Es ist kein Zufall, dass die Geberländer zur Zeit klagen. Es wird Zeit, dass der Finanzminister sein Gewicht in die Waagschale wirft, um einen neuen anreizkompatiblen Finanzausgleich zu schaffen. Immerhin sind Finanzpolitiker der CDU – dem Vernehmen nach in Kontakt mit dem Minister – dabei, Änderungsvorschläge auszuarbeiten.
"Rettungsgelder sind das kleinere Übel"
Umstrittene Entscheidungen
Und schließlich zur fiskalischen Stabilität. Gebetsmühlenartig wiederholen deutsche Politiker einschließlich des Finanzministers die Notwendigkeit zur Sparsamkeit und zur Stabilität. Dennoch reichen Rekord-Steuereinnahmen von wohl mehr als 600 Milliarden Euro für 2012 nicht aus, für das kommende Jahr einen ausgeglichenen Bundeshaushalt zu präsentieren. Gleichzeitig werden mit Elterngeld und Zusatzrenten neue sozialpolitische Wohltaten an die Bürger – wohl vor allem in ihrer Funktion als Wähler – geplant. Die Effekte dieser Leistungen sind überaus umstritten.
Es ist nicht die Aufgabe des Finanzministers, die Ordnungskonformität dieser Maßnahmen zu prüfen (das wäre Aufgabe des Wirtschaftsministers, dem Gegenstand einer späteren Kolumne); es ist aber Aufgabe des Finanzministers, die Ressorts daran zu hindern, aus politischer Opportunität und Kurzsichtigkeit langfristige finanzielle Verpflichtungen für den Bund aufzubauen. Nebenbei bemerkt könnte das Ministerium auch etwas für den Subventionsabbau tun; insgesamt werden jedes Jahr über 160 Milliarden Euro an Subventionen gewährt.
In den drei letzten Bereichen (Steuerpolitik, Finanzausgleich und Haushaltsdisziplin), die man wohl getrost zu seinen zentralen Aufgaben zählen darf, zeigt der Bundesfinanzminister (vermutlich anders als seine Beamten) keinen erkennbaren Ehrgeiz. Stattdessen gibt der Minister vor, den Euro retten zu wollen. Zumindest solange der Verdacht besteht, dies alles diene einigen im politischen Europa nur dazu, die Macht der europäischen „Eliten“ zu stärken, und gleichzeitig notwendige Reformen, die in ganz Europa anstehen, zu verschieben bzw. zu begraben, ist die Vernachlässigung der Kernaufgaben des Ministeriums vor allem zynisch zu nennen.