Die Freytags-Frage

Was hat die FDP eigentlich mit Liberalismus gemeinsam?

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Liberalismus ist mehr als wirtschaftliche Freiheit

Medienpolitik. Wie kann eine liberale Partei es zulassen, dass sich das Staatsfernsehen so ungeniert in die Medienlandschaft drängt und mit den Zwangsabgaben immer mehr Programme und Dienste anbietet, die ohne weiteres auf kaufkräftige Nachfrage stießen und somit von privaten Akteuren angeboten werden könnten? Es handelt sich in gewisser Weise um einen Angriff auf die Pressefreiheit, ein zutiefst liberales Anliegen. Warum reagiert diese Partei außerdem nicht auf die zahlreichen Korruptionsskandale im öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

Anstatt bei diesen Fragen aktiv mit zumischen und liberale Positionen, die ja doch von vielen geteilt werden, hochzuhalten, vermittelt die Parteispitze den Eindruck, dass Liberalismus sich auf Steuersenkungen und Deregulierung (allerdings nicht auf den Märkten, auf denen die Kernklientel der Partei unterwegs ist: Handwerk und freie Berufe) beschränkt. Dabei gibt es auch gute Nachrichte. Neben dem inhaltlichen Problem besteht allerdings auch ein Vermittlungsproblem. Nicht einmal in den Feldern, in denen liberale Politiker sehr gute Arbeit leisten (namentlich in der Entwicklungszusammenarbeit und der Gesundheitspolitik), wird die Partei als erfolgreich erkannt. Man muss einschränkend sagen, dass in der Basis und in der parteinahen Naumann-Stiftung diese Defizite wahrgenommen und die Themen aufgegriffen werden.

Liberalismus ist viel mehr als wirtschaftliche Freiheit. Er umfasst Bürgerrechte, Eigenverantwortung, Pressefreiheit, Grenzen und der staatlichen Aktivität, Grenzen privater Aktivität wie Monopole, aber natürlich auch Gewerbefreiheit, offene Märkte und Wettbewerb. Es gab Zeiten, da öffentlich wirksame Persönlichkeiten in der FDP das gesamte Spektrum abbildeten. Im Augenblick verkümmert die Vielfalt, die Spitzenpolitiker der Partei vermitteln nicht den Eindruck, ernsthafte Liberale zu sein. Die FDP bzw. das, was man von ihr wahrnimmt, hat mit Liberalismus im Moment wenig gemein.

Nur wenn eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Liberalismus auch in der Parteispitze stattfindet, kann Wenzels Diktum vom kompetenzfreien Ballon glaubhaft widerlegt werden. Deshalb kann der Ausweg nur sein, nicht nur auf kurzfristige Wahlerfolge und Machtbeteiligung zu setzen, sondern vor allem eine langfristig wirkende inhaltliche Kampagne, die die Glaubwürdigkeit wiederherstellt, zu starten. Man muss auch mal nein sagen können, z.B. bei illegalen Rettungspaketen oder Einschränkungen der Bürgerrechte; das Argument, ohne eigene Beteiligung werde alles nur viel schlimmer, ist schlichtweg falsch und überflüssig. Die Freiheit ist zu kostbar, um sie so lieblos zu behandeln.

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