Die letzten Projekte der Großen Koalition Was von der Nacht im Kanzleramt übrig bleibt

CDU und CSU sind zufrieden mit den Ergebnissen der Spitzenrunde im Kanzleramt. Die SPD dagegen nicht. Verbesserungen für Frauen, mehr Geld für Rentner und besseren Schutz für Mieter werde es erstmal nicht geben.

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Erleuchtet ist am 19.10.2016 in Berlin das Kanzleramt. Am 19.10.2016 empfängt Bundeskanzlerin Merkel die Präsidenten Russlands, der Ukraine und Frankreichs, Putin, Poroschenko und Hollande zu Beratungen über den Ukraine-Konflikt im Bundeskanzleramt. Foto: Paul Zinken/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Berlin Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hat die Ergebnisse des nächtlichen Koalitionsausschusses als einen „schönen Erfolg“ für die Union gewertet. Er hob am Donnerstagmorgen nach einer Sondersitzung seiner Fraktion im Bundestag die vereinbarten härteren Strafen für Einbrecher und die Bekämpfung von Sozialmissbrauch hervor. „Mit einem solchen Ergebnis war im Vorfeld nicht zu rechnen“, sagte Kauder. „Gestern hat es einen Ruck gegeben und darüber sind wir froh.“

Kanzleramtschef Peter Altmaier ist der Meinung, die Union habe sich gegen die SPD durchgesetzt. „Die Themen, die wir beschlossen haben, waren natürlich in aller erster Linie Themen, die uns von der CDU/CSU besonders wichtig waren“, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Entscheidungen bei SPD-Themen wie dem Teilzeitrecht und der Begrenzung von Managergehältern wären nur mit Kompromissen zu lösen gewesen. Die Union habe konkrete Angebote gemacht, die SPD habe sich aber „noch nicht im Stande gesehen, sich diesen Vorschlägen zu nähern“. Die Union bleibe bei der Position, dass über die Höhe der Vorstandsgehälter öffentlich in der Hauptversammlung des Unternehmens entschieden werden solle, sagte Kauder. Die SPD sei aber nicht bereit gewesen, diesen Punkt aus dem gemeinsamen Koalitionsvertrag so umzusetzen. Hätte sich die SPD nicht verweigert, „dann wären wahrscheinlich die ganzen Vorgänge bei VW so nicht gelaufen“, kritisierte Kauder.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann hat dagegen der Union Blockade bei wichtigen Projekten vorgeworfen. Die CDU verhindere eine Solidarrente und mache einen Kompromiss beim Recht auf Rückkehr aus der Teil- in die Vollzeitbeschäftigung unmöglich, sagte Oppermann am Donnerstag in Berlin. Es seien zwar wichtige Entscheidungen getroffen worden wie das Verbot von Kinderehen und Strafverschärfungen für Wohnungseinbrüche. „Bei allen Fragen, die mehr Gerechtigkeit betreffen, stoßen wir allerdings jetzt an die ideologischen Grenzen der Union.“

Die Spitzen von CDU, CSU und SPD um Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer hatten sich in der Nacht auf Kompromisse bei einer Reihe kleinerer Streitthemen geeinigt, auch im Kampf gegen Sozialleistungsbetrug. In wesentlichen Punkten blieb es aber beim Dissens. Darunter war neben der Solidarrente die von der SPD geforderte Ehe für alle und die Begrenzung von Managergehältern.

Alles, was bei diesem Koalitionsausschuss nicht auf den Weg gebracht worden sei, habe praktisch keine Chance mehr, noch in das Gesetzgebungsverfahren zu kommen, sagte Oppermann. „Verbesserungen für Frauen, die mehr arbeiten wollen, mehr Geld für Rentner, die jahrzehntelang gearbeitet haben, ein besserer Schutz für Mieter, das alles ist mit der Union nicht zu machen“, sagte Oppermann. „Wir werden diese Dinge in der nächsten Bundesregierung unter einem Bundeskanzler Martin Schulz umsetzen.“

Oppermann beschrieb die Atmosphäre der Runde als freundlich und konstruktiv. Die Verhandlungsleitung habe bei Merkel und Schulz gelegen. Da sich beide seit langem kennen würden, sei alles reibungslos verlaufen.


Schulz kommt doch

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte, wichtig für die CSU sei auch die Debatte über ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamente gewesen. Aber: „Das ist leider vom Koalitionspartner nicht akzeptiert worden.“ Dabei sei das SPD-geführte Nordrhein-Westfalen genau dafür. Für die Versorgung des ländlichen Raums mit Apotheken sei es nötig, dass es keinen Versandhandel gebe.

Zur erstmalige Teilnahme des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz an einem Koalitionsausschuss mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und den Fraktionsspitzen sagte Unionsfraktionschef Kauder, alle Beteiligten wüssten um die Verantwortung, dem Land eine gut funktionierende Regierung zu bieten. Die Atmosphäre sei sachlich und von dem Ziel geprägt gewesen, zu Ergebnissen zu kommen.

Hasselfeldt sagte, sie habe überhaupt nicht verstanden, warum Schulz zunächst wegen eines parallelen SPD-Festes nicht habe kommen wollen. Für sie sei es selbstverständlich, dass jeder Parteivorsitzende an einem Koalitionsausschuss teilnehme. Aus Unionskreisen verlautete, angesichts des schon beginnenden Wahlkampfes habe es eine erfreuliche Anzahl von Einigungen gegeben. Klar sei aber auch, dass CDU, CSU und SPD mit den für sie wichtigen Themen ohne gute Einigungschancen lieber Wahlkampf machten.

Im ZDF-Morgenmagazin sagte Kauder, die Union sei zu mehr Kompromissen mit der SPD bereit gewesen. Dies sei aber an überzogenen Forderungen der SPD gescheitert. Die SPD habe etwa ein Recht auf befristete Teilzeit- und Rückkehr in Vollzeitarbeit festschreiben wollen, das die CDU in größeren Unternehmen ab 200 Mitarbeitern probiert hätte. „Das hat die SPD auch nicht mitmachen wollen.“

Die von der SPD vorgeschlagene Ehe für alle halte die Union nicht für notwendig, betonte der CDU-Politiker. Es sei klar gewesen, dass es dazu keinen Kompromiss geben würde. „Wir finden auch, dass das keine Diskriminierung ist.“

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