Die politischen Folgen der Hamburger Krawalle Nacht der Flammen

In Hamburg haben Extremisten versucht, die Kontrolle über ein Stadtviertel zu übernehmen. Zeitweise ist ihnen das gelungen. Das ist das Ergebnis des G20-Gipfels. Und es wird die Politik noch lange beschäftigen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Aktivisten stehen im Schanzenviertel in Hamburg vor einer brennenden Barrikade. Quelle: dpa

Berlin Wer interessiert sich nach dieser Nacht noch für die Verhandlungsergebnisse des G20-Gipfels? Wer will noch wissen, ob sich US-Präsident Donald Trump auf ein verwässertes Bekenntnis zum Klimaschutz einlässt und ob seine Regierung sich eine halbgare Affirmation des Freihandels abringen lässt? Die meisten Hamburger jedenfalls wollen nur eins: dass der Schrecken auf ihren Straßen endlich ein Ende hat.

Die Wortformeln des Abschlusskommuniqués, in den vergangenen Tagen beinahe zu Schicksalsfragen stilisiert, wirken schon jetzt geradezu bedeutungslos. In der Hansestadt ist das Sicherheitsgefühl der Bürger in Flammen aufgegangen. Das ist das Ergebnis dieses Gipfels. Und es wird die Stadt noch lange beschäftigen. Die Bundesregierung auch.
Mit Maschinenpistolen im Anschlag musste die Polizei Extremisten von den Dächern des Schanzenviertels holen. Ein ganzer Straßenzug brannte. Steine flogen, Flaschen, Böller und Zwillengeschosse. Läden wurden geplündert. In Teilen einer der lebenswertesten und wohlhabendsten Städte Europas herrschte stundenlang Anarchie.

Die Zahl der verletzten Beamten steigt mit jeder neuen Twitter-Meldung der Hamburger Polizei. Fast 200 Polizisten mussten inzwischen behandelt werden. Über die Zahlen der verletzten Unbeteiligten und Demonstranten gibt es keine verlässlichen Angaben. Es ist eine Eruption der Gewalt, die den politischen Verständigungsprozess zwischen den Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer zur Nebensache macht. Die Weltpolitik ist in den Hintergrund der Lokalnachrichten getreten. Die Veranstalter der linksautonomen Protestveranstaltungen haben ihr Ziel erreicht: Welcome to Hell, dem Krisengebiet vor der eigenen Haustür.

Es wird jetzt viele verbrämte Versuche geben, die Gewalt als notwendige Manifestation des Widerstands gegen den Kapitalismus zu rechtfertigen. Es wird Stunde der Heuchler schlagen, die der Polizei die Schuld an den Gewaltausbrüchen zuschreiben, weil sie am Donnerstagabends einen Protestzug gestoppt hatte. Als ob die Krawalltouristen die Leuchtkerzen, mit denen sie später Autos in „Bonzenvierteln“ abfackelten, wieder mit nach Hause genommen hätte, wenn der „Schweinestaat“ nur mehr Verständnis für ihren Zorn gezeigt hätte.

Nein, die Extremisten als gewaltbereite Kritiker an Ausbeutung und Umweltzerstörung im kapitalistischen Wirtschaftsmodell zu sehen, ist falsch. Es ging den Autonomen vor allem um eines: um Macht. Um die Frage, ob es ihnen gelingt, dem Staat die Kontrolle zu entziehen. Die Antwort hat diese Nacht der Flammen gegeben. Zum Entsetzen der Hamburger Bürger lautet sie: Ja. Der Staat hat die Kontrolle verloren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%