Die Regierung und die NPD Mangelnder Einsatz gegen Rechtsextreme?

Die Regierung stellt keinen eigenen NPD-Verbotsantrag. Der Kampf gegen Rechtsextreme geht aber weiter. Initiativen wie das Neonazi-Aussteigerprogramm Exit kämpfen derweil ums Überleben - weil staatliche Förderung fehlt.

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Die Regierung wird keinen eigenen NPD-Verbotsantrag stellen. Dies sei „nicht nötig“. Quelle: dpa

Berlin Die beiden Minister haben nicht viel Zeit für das Thema NPD mitgebracht. Gerade mal zweieinhalb Minuten dauern die Stellungnahmen von Innenressortchef Hans-Peter Friedrich (CSU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Das Kabinett hat gerade beschlossen, dass es - anders als der Bundesrat - keinen eigenen Verbotsantrag gegen die rechtsextreme Partei stellen will. Friedrich und seine Kabinettskollegin, die sonst selten einer Meinung sind, berichten nun gemeinsam, was die Regierung zu der Entscheidung bewogen hat.

Die Erklärung fällt knapp aus: Die Hürden für ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei seien hoch. Der Antrag eines Verfassungsorgans reiche völlig aus. Die Bundesregierung werde den Ländern bei deren Verbotsantrag zur Seite stehen. Und ohnehin sei der Kampf gegen den Rechtsextremismus für die Regierung weiter eine wichtige Aufgabe; er dürfe aber nicht auf ein NPD-Verbotsverfahren verengt werden.

Als die wartenden Journalisten zu Nachfragen ansetzen, winkt Friedrichs Sprecher ab. Der Minister ruft „Es ist alles gesagt“ und verlässt mit Leutheusser-Schnarrenberger den Raum. Die anwesenden Presse-Leute schauen ungläubig.

Viele Fragen bleiben unbeantwortet - etwa zum Engagement der Regierung gegen Rechts. Ein Beispiel ist die Initiative Exit, die der frühere Kriminalpolizist Bernd Wagner vor 13 Jahren mit anderen gründete. Er und seine Mitstreiter helfen Rechtsextremen, aus der Szene auszusteigen. Seit 2000 haben sie mehr als 480 Leute unterstützt, ein neues Leben anzufangen. Nun steht die Initiative vor dem Aus.

Noch bis Ende April bekommt Exit Geld vom Bund und der EU. „Danach ist erst mal Schluss“, sagt Wagner. Die Förderung läuft aus. Es geht nicht um besonders viel Geld. Bislang lebt die Initiative von rund 165 000 Euro im Jahr. Sie hangelt sich aber immer wieder von einer Übergangslösung zur nächsten. „Wir haben immer von Häppchen gelebt“, erzählt Wagner. Der Staat bekämpfe den Rechtsextremismus seit Jahren nur mit Sonderprogrammen, halte das Phänomen für eine „temporäre Erscheinung“, beklagt er. Auch viele andere Organisationen, die sich gegen rechte Umtriebe engagieren, müssten ums Überleben kämpfen.

Als Friedrich wenig später in anderer Sache in Berlin wieder vor die Presse tritt, lässt er sich ein paar kurze Fragen zu diesen Problemen gefallen - auch zu Exit. Es gebe viele Programme gegen Rechtsextremismus, entgegnet der CSU-Mann. „Diese Programme sind gut ausgestattet.“ Alle erfolgreichen Initiativen würden fortgesetzt. Und wenn Exit dazu gehöre, werde es auch für dieses Programm eine Möglichkeit der Unterstützung geben. Im Übrigen seien beim Kampf gegen Rechts auch die Länder gefordert - und die gesamte Gesellschaft. Es sei nicht alles eine Frage des Geldes.

„Die Bundesregierung wird auch künftig alles Erforderliche tun, um den Rechtsextremismus politisch zu bekämpfen“, heißt es im Kabinettsbeschluss zur NPD. In der Regierungspressekonferenz nach der Ministerrunde kommen die verschiedenen Ressorts bei dem Thema aber ins Schlingern. Eine vollständige Übersicht über die Förderprogramme der Regierung gegen Rechts haben die Sprecher nicht parat, eine genaue Idee für Anschlussfinanzierung bei Exit auch nicht.

Die Befürworter des Verbotsverfahrens - allen voran die Länder und die SPD im Bundestag - stellen schon seit Wochen dezent infrage, wie ernst es der Regierung mit dem Kampf gegen Rechtsradikale ist. Nach dem Kabinettsbeschluss kommt der Vorwurf nun deutlich lauter daher.

Auch Bernd Wagner will mehr hören als nur warme Worte. Die Vorbehalte der Regierung gegen einen NPD-Verbotsantrag könne er nachvollziehen, sagt er. „Aber die Regierung hat die verdammte Pflicht, den gesamtgesellschaftlichen Kampf gegen den Rechtsextremismus zu forcieren.“

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