Die Zukunft des Liberalismus

Sechs Thesen zum Tod der FDP - und zur Rettung des Liberalismus 

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1. Der Liberalismus steckt immer in der Krise

Stellen wir uns einen Marktplatz vor, auf dem drei Händler - der Konservative, der Sozialdemokrat und der Liberale - um Aufmerksamkeit wetteifern. Was sehen wir?

Wir sehen, wie der Konservative mit politischem Gemüse handelt, der Sozialdemokrat politisches Obst feilbietet - und der Liberale das große Nichts anpreist. Er verfügt über kein Sortiment, keine Auswahl, keine Waren, weist nur auf die gähnende Leere vor sich hin und ruft: "Euren Hunger müsst ihr schon selber stillen." Kein Wunder also, dass die meisten Kunden sich vom Liberalismus abwenden.

Im Unterschied zu den beiden anderen traditionellen politischen Stilrichtungen hat der Liberalismus den Menschen nichts Bejahbares anzubieten, keine Projektionsfläche, keine Identität. Die Konservativen schöpfen aus dem reichen Reservoir der (nationalen) Kultur und Geschichte. Sie bauen auf Bewährtes und hüten die Tradition. Sie achten auf Erfahrung, hegen überlieferte Ordnungen und vertrauen auf die zivilisierenden Kraft gewachsener Institutionen.

Die Sozialdemokraten wiederum haben immer die Zukunft, den Fortschritt und das große Ganze im Blick, die Gesellschaft, den Staat und den Weltfrieden. Sie erheben Utopia zum Menschheitsziel und dienen sich uns als Navigatoren auf dem Weg dorthin an, immer unterwegs für uns und die gute Sache, angetrieben von der erneuerbarsten aller politischer Energien, der "Sozialen Gerechtigkeit". 

Allein der Liberalismus, der lässt uns im Stich. Der hält uns hinein in die Welt, wie sie ist und wir sie vorfinden - und gibt uns einen Stups. Der erteilt uns keine Ratschläge und weist uns keine Richtung, der gibt uns keinen Wink, kennt weder Herkunft, Weg noch Ziel. Der Liberalismus ist eine einzige Zumutung. Er zwingt uns die Freiheit auf, irgendwas aus ihr zu machen. Sie zu nutzen oder nicht. Als politisches Angebot - kalt, leer und anspruchsvoll zugleich - steckt er daher immer in der Krise.

2. Freiheit ist unteilbar

Von Wirtschafts-Nobelpreisträger Milton Friedman stammt ein Satz, der den Wirtschaftsliberalismus alter Schule und die Idee des freien Unternehmertums quintessenziell zusammenfasst: „The business of business is business.“ Der Unternehmer hat sein Unternehmen zu führen, so Friedman, und wenn er das erfolgreich tut, dann füllt er damit nicht nur sein Portemonnaie. Sondern er füllt damit auch die Konten seiner Mitarbeiter (Löhne) und Mit-Eigentümer (mit der Steigerung des Profits); füllt mit seinen Produkten die Regale (zum Wohle der Kunden) - und erfüllt eben damit seine gesellschaftliche Aufgabe. 

Wie man weiß, wird gegen diesen Satz heute allseits Einspruch erhoben. Bundespräsident Joachim Gauck etwa ist der Auffassung, dass "freies Unternehmertum Grenzen" brauche. Und von Papst Franziskus ist bekannt, dass er sogar die "unsichtbare Tyrannei der Ökonomie" beklagt. So weit muss man nicht gehen. 

Daran freilich, dass das Geschäft des Geschäfts nichts anderes als das Geschäft zu sein habe, kann nach der staatlich lizenzierten Oligarchisierung des Geldes an den Finanzmärkten, nach der ungeheuren Konzentration von Macht und Vermögen in der Hand von globalen (Daten-)Konzernen sowie nach dem Aufstieg von autoritären Staatskapitalismen in China und Russland niemand mehr ernsthaft glauben - es sei denn, er zählt sich zu jenen Bastardliberalen, die zugleich davon überzeugt sind, der Eigennutz eines Hochgeschwindigkeitshändlers nähre ganz im Sinne von Adam Smith das Gemeinwohl.

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