Diesel-Spitzentreffen Krisen-Gipfel ohne Merkel

Die Diesel-Debatte hat erkennbar an Brisanz gewonnen. Autobauer und Politik stehen unter Druck, Antworten zu geben. Doch ein top-besetztes Spitzentreffen in Berlin findet ohne Beteiligung des Kanzleramts statt.

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Beim Diesel-Gipfel nicht dabei: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Quelle: AP

Berlin Das Ganze grenzt an ein Verwirrspiel. Noch vor 11 Tagen war das Bundesverkehrsministerium nicht in der Lage, die Teilnehmer an dem Diesel-Gipfel am 2. August zu benennen. Es gebe „noch keine Teilnehmerliste“, räumte eine Sprecherin vom Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) seinerzeit in der Bundespressekonferenz ein. Fest stehe nur, dass das Verkehrs- und das Umweltministerium sowie das Kanzleramt dabei sein würden.

Das wiederum hörte der überraschte Regierungssprecher Steffen Seibert offenbar zum ersten Mal. Er erfahre jetzt, dass das Kanzleramt dabei sei, sagte er. Aber er verspreche, herauszufinden, auf welcher Ebene dies geschehe. Auf die Frage, ob sie, die Dobrindt-Sprecherin, helfen könne, sagte sie: „Ich kann da nicht helfen.“ Kurze Zeit später schob sie dann nach, dass ihre Kollegen sie gerade informiert hätten, dass die Teilnehmerliste für das „Nationale Forum Diesel“ noch nicht feststehe. „Ob das Bundeskanzleramt daran teilnehmen wird, können wir also noch nicht sagen“, so die Sprecherin.

Auf einer Liste, die das Dobrindt-Ressort in dieser Woche erstellt hat, wird das Kanzleramt nicht mehr erwähnt. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht teilnimmt, bestätigte dann auch die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer, am Mittwoch in der Bundespressekonferenz. Auf eine entsprechende Frage antwortete sie: „Ziel des Forums ist es, die Diskussion über die Optimierung von Dieselfahrzeugen zu bündeln und bundesweite Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen bei Diesel-Pkws zu vereinbaren. Darüber wird die Kanzlerin dann fortlaufend informiert werden.“

Dass die Kanzlerin an dem Top-besetzen Treffen, das von Verkehrsminister Dobrindt und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ausgerichtet wird, nicht teilnimmt ist nicht die einzige Merkwürdigkeit der Gipfelvorbereitungen. Aus dem Bundeskabinett sind zwar noch die Bundesministerinen Brigitte Zypries (SPD, Wirtschaft) und Johanna Wanka (CDU, Forschung) geladen, nicht aber der für Verbraucherschutz zuständige SPD-Minister Heiko Maas. Aus dem Hause Dobrindt war dazu keine Stellungnahme zu bekommen. Mehrmalige Nachfragen des Handelsblatts blieben unbeantwortet.

Der Vorgang erscheint bizarr, wenn man bedenkt, dass das Thema auf EU-Ebene einen deutlich größeren Stellenwert zu haben scheint. Jedenfalls sind auf Kommissionsebene alle eingebunden, in deren Zuständigkeit die diversen Fragen fallen, die im Zuge der Manipulationsvorwürfe gegen die Autobauer eine Rolle spielen können. Also auch Verbraucherschutz.

Nach Informationen des Handelsblatts hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seinen Vize Jyrki Katainen nicht nur damit beauftragt, alle Aspekte des Dieselskandals zusammenzustellen. Katainen soll zudem auch die Arbeit der drei EU-Kommissarinnen koordinieren, die mit dem Dieselskandal befasst sind: Verbraucherschutzkommissarin Vera Jourova, Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska und Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.


Hessen erhöht Druck auf Autokonzerne

Innerhalb der Bundesregierung ist das Thema erkennbar keine Chefsache. Auf Länderebene dagegen schon. Auf der Teilnehmerliste des Bundesverkehrsministeriums stehen die Ministerpräsidenten der „Autoländer“ Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen - außerdem Berlin und Hamburg als stark von hohen Stickoxid-Werten (NOx) betroffene Stadtstaaten.

Diese Woche wurde der Diesel-Gipfel dann noch um zwei weitere Bundesländer erweitert. Rheinland-Pfalz und dem Saarland als Standorte mit Autoproduktion nehmen mit ihren Ministerpräsidentinnen ebenfalls teil.

Bei den Autokonzernen sind wegen der Schwere der Vorwürfe sämtliche Fragen um Abgasmanipulationen und mögliche Kartellabsprachen ohnehin längst eine Thema der Führungsetage. Zum Gipfel kommen denn auch die Chefs von VW, Audi, Porsche, BMW, Daimler, Ford Deutschland und Opel. Eingeladen sind außerdem der Verband der Automobilindustrie (VDA) sowie der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK).

Auch der Deutsche Städtetag und die IG Metall werden laut Verkehrsministerium dabei sein. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die am Donnerstag noch in einer Liste des Ministeriums genannt wird, hat kurzfristig wieder abgesagt – „aus Termingründen“, wie es aus der BDA heißt.

Der Gipfel dürfte für die Branche kein Zuckerschlecken werden, nachdem Verkehrsminister Dobrindt am Donnerstag erklärt hatte, beim Porsche-Geländewagen des Typs Cayenne mit V6-Zylinder Diesel-Motor sei eine unzulässige Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung entdeckt worden. Für das Fahrzeug dieses Typs wurde ein Zulassungsverbot verbunden mit einer Rückrufaktion für bereits an Kunden gegangene Autos verhängt.

Die Diesel-Krise hat damit eine neue Eskalationsstufe erreicht. Entsprechend sieht nun die Politik die Autobauer am Zug. „Ich erwarte ein klares Angebot der Autoindustrie zur Nachrüstung ohne finanzielle Belastungen für die Verbraucher“, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) mit Blick auf den Diesel-Gipfel dem Handelsblatt. „Es muss klare Zusicherungen geben, wann und wie das geschehen soll.“

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