Digital-Business-Forum „Nicht immer nur mit Wattebällchen werfen“

Wie kann die Marktmacht von Google und Facebook kontrolliert werden? Auf einer gemeinsamen Veranstaltung von Handelsblatt und Tagesspiegel haben Experten Vorschläge gemacht. Ihr Tenor: Europa muss schneller reagieren.

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Sind digitale Plattformen Innovationstreiber und erleichtern Kunden sowie Anbietern den Alltag? Quelle: dpa

Berlin Der Investor Klaus Hommels zeichnet ein düsteres Bild: Ein Ninja trainiert, wird immer flinker und stärker, dann trifft er auf seinen Gegner – und der hat eine Pistole dabei. Keine Chance für den Ninja, alle Anstrengungen waren umsonst. Hommels steht auf einer Bühne in Berlin, die Ninja-Metapher benutzt er als Beschreibung für die Anstrengungen Europas und Deutschlands, digitale Unternehmen wie Facebook, Google oder Amazon in ihrer Marktmacht zu regulieren und Missbrauch zu verhindern.

Hommels weiß, wovon er spricht. Er hat in Facebook investiert, in Spotify und Xing. An die Teilnehmer des Digital-Business-Forums appelliert er: „Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir die Spielregeln ändern.“

Sind digitale Plattformen Innovationstreiber und erleichtern Kunden sowie Anbietern den Alltag? Oder setzen sie die Regeln des Wettbewerbs außer Kraft – und müssen deswegen strikt reguliert werden? Diese Frage diskutierten die Teilnehmer des Digital-Business-Forums in Berlin. Mit dabei waren unter anderem: Christoph Weigler von Uber, Henrich Blase von Check24, die Netzpolitiker Thomas Jarzombek und Lars Klingbeil sowie der Präsident des Bundeskartellamts Andreas Mundt.

Auch das Wirtschafsministerium beschäftigt sich aktuell mit der Frage. In einem Grünbuch fasst das Haus von Sigmar Gabriel den derzeitigen Diskussionsstand zusammen – und stellt offene Fragen zur Diskussion. Daraus soll ein Weißbuch entstehen, eine Art Handlungsvorschlag für ein Problem. Bei digitalen Plattformen ist das ihre Tendenz zum Monopol. Denn digitale Plattformen zeichnen sich durch ihre Netzwerkstruktur aus. Je mehr Menschen sie nutzen, desto besser werden sie. Google lernt mit jeder Suchanfrage dazu. Ein soziales Netzwerk macht nur Sinn, wenn genügend Freunde dort sind.

Thomas Fetzer, Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim hat am Grünbuch des Wirtschaftsministeriums mitgeschrieben. Er wies darauf hin, dass es viele verschiedene Plattformtypen gibt. Die Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen einer Plattform sei eine Einzelfallentscheidung. Im Zweifel sollte man sich „auf das Innovationspotenzial konzentrieren“, sagte Fetzer. Plattformen können etwa die Kosten eines Geschäfts senken, sie erleichtern Kunden den Vergleich oder bringen besonders guten Service hervor.


Experimentierräume für Start-ups schaffen

Um jungen Unternehmen Spielraum für ihre Entwicklung zu geben, schlug Fetzer regulative Experimentierräume vor. Räume also, in denen Startups ihre Idee testen können – ohne sofort auf jede Vorschrift achten zu müssen. Eine Idee, die derzeit in Großbritannien getestet wird und die auch CDU-Netzpolitiker Thomas Jarzombek begrüßte.

Staatsminister Helge Braun ermutigte junge Gründer: „Jeder der eine Idee für einen Experimentierraum hat, soll sich bei mir melden – dann probieren wir das.“ Gleichzeitig warnte er: „In der Realität kann das sehr schwierig werden.“ Hygienevorschriften etwa müssten für alle gelten – auch für einen jungen Onlineshop für Wurst.

Die Unternehmer Jan Oetjen von 1&1 und Henrich Blase von Check24 riefen die Politik dazu auf, deutsche und amerikanische Unternehmen endlich gleich zu behandeln. Bislang würden deutsche Unternehmen oft hart reguliert während die großen Plattformen aus Amerika in der Ausnutzung ihrer Marktmacht freie Hand hätten. „Wenn wir in Europa dafür in den nächsten Jahren keine Lösung finden, wird es schwer werden, hier überhaupt noch digitale Geschäftsmodelle aufzubauen“, sagte Oetjen.

Eine Studie zum Thema stellte Björn Bloching, Partner bei Roland Berger, vor. Wichtig ist demnach, dass Europa gemeinsam agiert und dass Kartellbehörden schneller auf Missbräuche reagieren. „Vor allem müssen wir lernen, in den neuen Netzwerkstrukturen zu denken“, sagte Bloching. „Wir brauchen beides: eine neue Denkart und clevere Regulierung.“

In Deutschland ist für die Regulierung Andreas Mundt zuständig. Der Präsident des Bundeskartellamtes erzählte von den Schwierigkeiten, Monopolmissbrauch digitaler Plattformen vor Gericht nachzuweisen. „Das ist der Mount-Everest des Wettbewerbsrechts“, sagte er. Um überhaupt eine Chance zu haben, hat Mundt in seinem Haus eine Sonderabteilung für das Thema eingerichtet. „In einem Jahr werden wir sicherlich einige Korsettstangen eingezogen haben“, kündigte er an. Den Unternehmern im Raum sagte er: „Sie mögen das Gefühl haben, wir tun nicht genug – aber sie haben nur uns.“

Investor Klaus Hommels regte dazu eine Alternative an. Es brauche eine große Kartellbehörde in Europa. Die habe eine höhere Durchschlagskraft als nationale Organe. Zudem forderte Hommels eine neue Strukturpolitik. China mache vor, wie man eigene Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz schützen könne. „Wir dürfen nicht immer nur mit Wattebällchen werfen“, sagte Hommels. „Das macht außer uns ja auch keiner.“

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