Digitale Agenda Deutsche wollen ein Internet-Ministerium

Das große Zukunftsthema lautet: Digitalisierung. Doch die Bundesregierung konnte sich bisher nicht dazu durchringen, dafür ein eigenes Ministerium zu schaffen. Dabei ist das der große Wunsch vieler Bundesbürger.

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Sollen Themen der Digitalisierung künftig von einem Bundesministerium zentral gesteuert werden? Quelle: dpa

Berlin Eine Mehrheit der Bundesbürger ist dafür, den Stellenwert der Digitalpolitik in der kommenden Legislaturperiode stärker zu betonen und würde die Einrichtung eines Internet-Ministeriums begrüßen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag des Eco-Verbands der Internetwirtschaft im August durchgeführt hat. Die Ergebnisse liegen dem Handelsblatt vor.

Danach sind 48 Prozent der befragten 2040 Deutschen der Meinung, die Verantwortung für netzpolitische Themen in der nächsten Legislaturperiode in einem Ministerium zu bündeln. Nur 19 Prozent der Befragten gaben hingegen an, dass die Verantwortung für netzpolitische Themen auch in der nächsten Legislaturperiode bei unterschiedlichen Ministerien liegen sollte. 

Eco-Vizechef Oliver Süme mahnte vor diesem Hintergrund Handlungsbedarf an. „Die Digitalisierung wird auch in den kommenden vier Jahren ein wesentlicher Game-Changer in nahezu allen Bereichen unseres Lebens bleiben“, sagte Süme dem Handelsblatt. „Es wird daher mehr als Zeit, die Netzpolitik aus ihrer Nische zu holen und ihr im Rahmen der Regierungsarbeit den ihr angemessenen Platz zuzumessen.“

Neben der Einrichtung eines Internet-Ministeriums zur ressortübergreifenden Koordinierung netzpolitischer Fragestellungen, sollte aus Sümes Sicht auch die parlamentarische Arbeit aufgewertet werden. Er plädierte für eine Stärkung der Netzpolitiker im Bundestag, beispielsweise durch die Einrichtung eines federführenden Ausschusses. Hintergrund: Der bisherige Ausschuss „Digitale Agenda“ ist nicht „federführend“ bei Digitalthemen und kann lediglich „mitberatend“ tätig werden.

Süme attestierte allen im Bundestag vertretenen Parteien bei der Bündelung der Netzpolitik in einem Ministerium „sehr zurückhaltend“ zu sein. Der Digitalexperte steht mit seiner Kritik nicht alleine da. Immer wieder kommt es seitens der Wirtschaft aber auch der Politik zu Appellen, Netzthemen in einer Behörde zu bündeln.

Die Entscheidungskompetenzen in Sachen Netz- und Digitalpolitik seien derzeit auf zu viele Ministerien verteilt, kritisierte vor einigen Monaten der Präsident des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMi), Oliver Grün. Die Folgen seien ein hoher Koordinationsaufwand, langsame Entscheidungen und Streit um die Zuständigkeiten. „Bei einem so zentralen Zukunftsthema können wir uns das nicht erlauben.“


Bundesminister uneinig über Einrichtung eines Digitalministeriums

Innerhalb der Bundesregierung besteht jedoch Uneinigkeit über die Einrichtung eines Digitalressorts. Die Vernetzung werde künftig alle Lebensbereiche erfassen, betonte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im April dieses Jahres. „Deshalb plädiere ich dafür, dass wir uns dem Gedanken eines Digitalministeriums nähern“, ergänzte er. „Ich halte es für richtig, dass wir digitale Kompetenzen in einer Hand bündeln.“ „Ich finde das falsch, ich würde das nicht machen“, sagte dagegen Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). „Ich glaube, dass Digitalisierung bereits in jedem Ministerium stattfindet.“ Wenn jemand darüber gesetzt werde, der mit allen anderen jedes Mal verhandele – etwa über die elektronische Gesundheitskarte oder die digitale Bildung – „das überfordert jeden“.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) gab sich seinerzeit in einer gemeinsamen Pressekonferenz der drei Minister zur Digitalen Agenda neutraler: „Ich bin der Meinung, wir entscheiden das in der nächsten Koalition.“ International gebe es unterschiedliche Erfahrungen mit einem solchen Posten.

Den „Digitalminister“ soll es laut Wahlprogramm aber nicht geben. Die Union will nur einen Staatsminister für Digitalpolitik im Kanzleramt. Zur besseren Abstimmung zwischen den Ministerien, die das Thema Digitalisierung angeht, soll es einen Kabinettsausschuss geben. Außerdem will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen „Nationalen Digitalrat“ einberufen. Die SPD will sich in ihrem Wahlprogramm nicht festlegen. Die Aussagen innerhalb der Partei gehen auseinander. So hatte SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil bereits vor Monaten eine eigenen Digitalminister gefordert - anders als eben Zypries, die ein solches Ressort ablehnt.

Die FDP spricht sich in ihrem Wahlprogramm hingegen explizit für ein Digitalministerium aus. „Wir wollen das Kompetenzgerangel zwischen fünf Ministerien in Sachen Digitalisierung beenden“, heißt es in dem Wahlprogramm der Partei.

Trotz der Differenzen in dieser Frage gestand Süme vom IT-Verband Eco der Politik zu, dazu gelernt zu haben: „Die jetzt endende Legislaturperiode war eine wichtige – vielleicht sogar die wichtigste Entwicklungsphase für die deutsche Netzpolitik“, sagte er. Mit der Digitalen Agenda habe die Bundesregierung zum ersten Mal ein „netzpolitisches Grundsatzprogramm“ vorgelegt und damit offiziell anerkannt, dass das Thema Digitalisierung kein vorübergehender Trend sei, sondern eine Entwicklung, die auch in den kommenden Jahrzehnten entscheidende Veränderungen in allen Lebensbereichen mit sich bringen werde.

Allerdings sieht Süme noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Sein Verband hat die Wahlprogramme der vier Bundestagsparteien CDU/CSU, SPD, Grüne und Linke hinsichtlich ihrer netzpolitischen Pläne analysiert. „Dabei konnten wir feststellen, dass alle Parteien die Wichtigkeit des Infrastruktur- und Netzausbaus erkannt haben, allerdings kaum konkrete Pläne nennen, wie dieser vorangetrieben werden soll“, sagte der Digitalexperte.

Besser sehe es beim Thema Digitalisierung der Verwaltung und e-Government aus. Hier hätten alle Parteien zumindest den Handlungsbedarf erkannt. Aber, so Süme weiter: „Zentrale Leitfragen wie der Umgang mit Medienkonvergenz oder die Modernisierung des Urheberrechts stehen bedauerlicherweise gar nicht im Fokus der Parteien, auch Aussagen zum umstrittenen Leistungsschutzrecht fehlen.“ Da hätte sich die Internetwirtschaft konkretere Aussagen gewünscht.

Dessen ungeachtet forderte Süme, die Digitale Agenda der Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode fortzuschreiben. „Dabei bedarf es neuer konkreter und objektiv messbarer Zielvereinbarungen“, sagte er. „Der Anspruch muss sein, nicht nur Schritt zu halten, sondern als digitaler Wirtschaftsstandort international eine Spitzenposition einzunehmen.“

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