Digitale Agenda Der steinige Weg in die Gigabit-Gesellschaft

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Schnellere Entwicklung nötig als bislang

Zwei Fliegen mit einer Klappe wollen die Grünen erledigen. Sie bekräftigten ihre Forderung, dass der Bund sich endlich von seinen Telekom-Anteilen trennen sollte. „Die Erlöse von etwa zehn Milliarden Euro sollten in eine Breitbandbundesgesellschaft fließen, die den Glasfaserausbau in strukturschwachen Gebieten fördert“, sagte Tabea Rößner von den Grünen. 2025 sollten mindestens 75 Prozent der Haushalte über einen Anschluss mit Glasfasertechnik verfügen. Ein Verkauf der Telekom-Aktien hätte auch ordnungspolitische Vorteile: Der Staat würde bei Wettbewerbsentscheidungen nicht mehr in Versuchung kommen können, das eigene Unternehmen besser zu stellen.

Dass sich eine Gigabitgesellschaft schneller entwickeln muss als bislang, daran haben alle Parteien keinen Zweifel. „Die Gigabitgesellschaft muss in Deutschland bis zum Jahr 2025 Realität werden“, sagte dazu auch eco-Verbands-Experte Klaus Landefeld. Mit Blick auf die nächste Legislaturperiode sagte er: „Aufgrund von Aufbauzeiten von mindestens sieben, eher zehn Jahren und mehr“ müsse es „einen konkreten Plan zum Aufbau von Faser Infrastrukturen als einzige wirklich zukunftssichere Technologie“ geben. Dies müsse von „von Anfang an Bestandteil eines Regierungsprogramm sein“.

Es geht dabei zum einen um die reine Downloadgeschwindigkeit. Wer sich bei einem 50-Megabit-Anschluss einen Film in HD-Auflösung mit einer Größe von 25 Gigabyte runter laden will, braucht dafür mehr als eine Stunde. Bei einem Gigabit-Anschluss ginge das in etwas mehr als drei Minuten. In Zukunft werden außerdem auch Latenzzeiten und Paketverluste eine immer größere Rolle spielen, also wie schnell Geräte miteinander kommunizieren können. An Glasfaserkabel, so viel ist klar, geht kein Weg dran vorbei.

Doch damit wäre allenfalls die physische Hardwareproblem gelöst. Doch wie sieht es aus bei anderen wichtigen Themen der Digitalisierung? Etwa den freien WLAN-Hot Spots?

Zehn Fakten zur Digitalisierung

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr eigentlich ein gutes Gesetz vorgelegt, sagt eco. Die Störerhaftung, nach der bisher ein Café-Besitzer für die Downloads ihrer Kunden zur Haftung gezogen werden konnte, wurde aufgehoben. Nutzer eines offenen WLAN-Netzes müssen jetzt nicht einmal mehr ein Häkchen setzen, wenn sie sich in ein offenes Netz einloggen. Doch nun soll das Gesetz wieder überarbeitet werden – mit neuen Regeln zu Netzsperren gegenüber Anbietern. Eco-Experte Landefeld warnt: Der überwiegende Teil der WLANs werde nicht durch große Konzerne realisiert, sondern durch branchenfremde Unternehmen. „Die Betreiber haben keinerlei Erfahrung mit derartigen Themen.“ Der derzeit aktive Aufbau offener WLANs „wird hierdurch erneut gefährdet“. Dabei sei WLAN im internationalen Vergleich die mobile  Zugangstechnologie schlechthin.

Fatal fällt das Urteil der Digital-Politiker beim Thema der digitalen Verwaltung aus. „Deutschland ist abgehängt“, sagte Grünen-Expertin Rößner. Es gebe viele  Vorbehalte der Bürger gegen neue Services. Auch CDU-Experte Nick sagt: „Jeder baut Insellösungen.“  Kommunen und Länder hätten unterschiedliche Strategien. Hier zeigten sich die Nachteile des Föderalismus. Linken-Politiker Behrens forderte deshalb auch einen „top-down-Ansatz“. Der Staat müsse Prozesse und Produkte „standardisieren“, damit sich digitale Verwaltungslösungen durchsetzen.

Natürlich fehlte bei der Diskussion des eco-Verbandes auch das Paradebeispiel für eine funktionierende Verwaltung nicht: Estland. CDU-Abgeordneter Nick sagte mit Blick auf das baltische Land, das wie kein anderes Land in Europa sämtliche Verwaltungsschritte wie Steuererklärung, Gesundheitskarte und Unternehmensgründung digitalisiert hat: „Wir dürfen nicht immer über Probleme, sondern müssen über die Chancen reden.“

Auch SPD-Kollege Zimmermann verwies auf Estland. Er habe das Land vor kurzem besucht. Dort habe man ihm gesagt: „Der elektronische Ausweis hat die Digitalisierung dort erst so richtig in Gang gebracht.“ Dies sei eine sichere und komfortable Lösung. Der elektronische Ausweis müsse auch in Deutschland stärker in den politischen Fokus rücken.

Für eco-Experte Landefeld ist klar, dass Deutschland bei der Digitalisierung der Verwaltungen noch die meisten Hausaufgaben zu erledigen hat. Die vollständige Digitalisierung von Behörden und staatlichen Einrichtungen müsse „schnellstmöglich umgesetzt werden“. Die Transformation von staatlichen Einrichtungen in die digitale Welt des 21. Jahrhunderts „steckt noch in den Kinderschuhen.“ Um einen funktionierenden Austausch mit den Bürgern und der Wirtschaft zu gewährleisten, müsse der Reformstau aufgelöst werden. „Hierzu brauchen wir eine zentral koordinierte Strategie, die zudem auch sicherstellt, dass die behördlichen Systeme interoperabel sind.“

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