DIW-Studie Eine Flüchtlingswelle als Hoffnung für den Arbeitsmarkt

Neue Erkenntnis: Flüchtlinge, die zwischen 1990 und 2010 nach Deutschland gekommen sind, haben oftmals eine geringere Berufsqualifikation. Dennoch haben sie sich in den Arbeitsmarkt integriert. Aber wie?

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Gerade die Sprachbarriere und die formalen Hürden erschweren Flüchtlingen die Jobsuche. Das könnte sich bald ändern. Quelle: dpa

Die Flüchtlingsfrage entscheidet gleichermaßen über Landtagswahlen und die Zukunft der Europäischen Union. Dabei sind die Streitpositionen oft rein hypothetisch. Parallelgesellschaften würden entstehen, sagen die einen. Die vielen Geflüchteten sind eine (nicht nur) ökonomische Bereicherung für den alternden Kontinent, sagen die anderen.

Dabei gibt es kaum verlässliches Datenmaterial, dass die Frage sachgerecht beantworten könnte. Eine Gruppe von Forschern hat deshalb untersucht, wie die Integration von Flüchtlingen gelungen ist, die bereits vor der letzten Migrationswelle nach Deutschland gekommen sind – und daraus Rückschlüsse auf die gegenwärtige Situation gezogen.

Flüchtlinge bringen im Durchschnitt eine geringere formale Berufsqualifikation mit als andere Migranten. Das zeigt die Studie, in der Forscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Berliner Humboldt-Universität untersuchen, wie sich Geflüchtete, die zwischen 1990 und 2010 nach Deutschland gekommen sind, in den Arbeitsmarkt integriert haben. Demnach hat mehr als die Hälfte aller Geflüchteten, die bei der Zuwanderung älter als 23 waren, keinen Berufsbildungsabschluss aus dem Ausland mitgebracht. Jedoch berichteten 86 Prozent, bereits Berufserfahrung im Ausland gesammelt zu haben.

Zerrin Salikutluk, die an der Studie beteiligt war, begrüßt deshalb die jüngsten Bestrebungen, im Ausland erworbene Qualifikationen anzuerkennen: „Zudem sollten Geflüchtete besser über Möglichkeiten informiert werden, ihre Abschlüsse und Erfahrungen aus dem Ausland in Deutschland anerkennen zu lassen.“

Denn oft scheitern Flüchtlinge am heimischen Arbeitsmarkt an den hohen formalen Hürden, die viele Arbeitgeber setzen. Oft gilt: Ohne Schulabschluss oder absolvierte Lehre gibt auch keinen Job. Das schlägt sich auch in weiteren Zahlen nieder: So waren Geflüchtete 2013 besonders stark von Erwerbslosigkeit betroffen. Wer dennoch einen Job gefunden hat, war oft auf informellem Weg erfolgreich.


Oft in Industrie und verarbeitendem Gewerbe untergebracht

Mehr als die Hälfte aller befragten Flüchtlinge mit Arbeit hat diese über Freunde, Bekannte oder Verwandte gefunden. Im Schnitt suchten sie selten länger als sechs Jahre. Dabei waren sie auch deutlich schneller in den Arbeitsmarkt integriert über den formellen Weg – also über Stellenvermittlungen, Arbeitsämter oder Stellenausschreibungen. Auf formellem Weg hatten auch nach zehn Jahren erst rund 80 Prozent ihren späteren Arbeitsplatz bereits gefunden.

Fündig wurden Geflüchtete oft in Industrie und verarbeitendem Gewerbe – und dort besonders häufig in kleinen und mittleren Betrieben mit bis zu 200 Mitarbeitern, die 2013 rund zwei Drittel aller erwerbstätigen Flüchtlinge beschäftigten. Salikutluk sieht in der Unsicherheit bezüglich des Rechtsstatus von Flüchtlingen einen möglichen Grund, weshalb größere Unternehmen kaum Flüchtlinge einstellen: „Die Verringerung von Unsicherheit bei Arbeitgebern kann zu einer schnelleren Integration beitragen.“

Aber auch verbesserte Bildung und Sprachkenntnisse. „Eine Hürde ist zu Beginn, dass ankommende Flüchtlinge kaum Deutsch sprechen. Im Gegensatz zu Arbeitsmigranten können sie sich aber auch kaum auf ihr Zielland vorbereiten“, sagt Martin Kroh, stellvertretender Leiter der Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel, aus der ein Teil der untersuchten Daten stammt. Diese zeigen aber auch: Wenn auch Flüchtlinge anfangs berichten, deutlich schlechter Deutsch zu sprechen als andere Migranten, gleichen sich die beiden Gruppen in puncto Sprachkenntnisse mit der Zeit an. Und auch im deutschen Schulsystem erreichten Flüchtlinge und Flüchtlingskinder durchschnittlich höhere Abschlüsse als sonstige Migranten.

Zwar gibt es kaum Daten zu den Geflüchteten, die seit 2013 nach Deutschland gekommen sind. Die Studienautoren stimmen ihre Ergebnisse jedoch optimistisch, dass eine rasche Integration der Neuankömmlinge gelingen kann. „Die Vielzahl der Maßnahmen und auch gesellschaftlichen Initiativen lässt auf eine schnellere Integration der jüngst Geflüchteten hoffen“, sagt Kroh.

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