Drohende Altersarmut CDU-Sozialflügel fordert Rente für Geringverdiener

Der Streit über das schwarz-rote Rentenpaket nimmt kein Ende. Die SPD-Linke dringt darauf, das Rentenniveau langfristig gesetzlich festzuschreiben. In der CDU wird gefordert, Geringverdiener besser zu stellen.

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Bekommen mehr Geld: Rentner. Quelle: dpa

Berlin Der Arbeitnehmerflügel der CDU warnt vor den Folgen einer Absenkung des Rentenniveaus und fordert als Gegenmaßnahme die Einführung einer Rente für Geringverdiener. „Wenn mehr als jeder fünfte Arbeitnehmer weniger als 10 Euro in der Stunde für seine Arbeit erhält, droht Altersarmut“, sagte der Bundesvize der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, Handelsblatt Online. Die Rente von Arbeitnehmern, die mindestens 30 Jahre gearbeitet haben, müsse daher auf 850 Euro angehoben werden. „Dabei müssen auch Pflege- und Kindererziehungszeiten angerechnet werden“, so Bäumler.

Der CDA-Vize wies darauf hin, dass schon heute ein männlicher Neurentner knapp 900 Euro und eine Neurentnerin 500 Euro im Durchschnitt erhalte. „Es kann nicht sein, dass Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben, im Alter von der staatlichen Grundsicherung abhängig sind“, sagte der CDU-Politiker. „Wir müssen für diese Menschen noch in dieser Legislaturperiode eine Lösung finden.“ Denn, so Bäumler weiter, die drohende Absenkung des Rentenniveaus infolge der demografischen Entwicklung werde diese Gefahr noch verstärken.

Zuvor hatte SPD-Vizeparteichef Ralf Stegner noch vor der Verabschiedung des Rentenpakets von Union und SPD Korrekturen für den Fall eines Wahlsieges 2017 angekündigt. Der „Rheinischen Post“ sagte der Koordinator der Linken im Parteivorstand, die anfangs 6,7 Milliarden Euro teure Ausweitung der Mütterrente würde dann aus der Beitragsfinanzierung herausgenommen und aus Steuern finanziert. „Hier würde eine von der SPD geführte Bundesregierung ab 2017 wieder umsteuern“, sagte Stegner. Damit solle das Rentenniveau „bei über 50 Prozent“ stabilisiert werden.

Die Linkspartei warf Stegner prompt Augenwischerei vor: Das Rentenniveau liege heute schon bei 47,9 Prozent der Durchschnittslöhne. Deshalb sei keine Stabilisierung nötig, sondern eine Anhebung. Führende Koalitionspolitiker gingen ebenfalls auf Distanz zu Stegners Vorstoß. „Ich sehe keine Möglichkeit, das Rentenniveau auf dem jetzigen Niveau einzufrieren“, sagte die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, Kerstin Griese (SPD), der „Rheinischen Post“. „Das ginge nur, wenn wir die Beitragssätze viel früher als geplant deutlich erhöhen würden. Das wollen wir nicht“, sagte Griese.

Für den Chefhaushälter der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle (CDU),  ist jegliche Diskussion über grundlegende Veränderungen der Rentenreformbeschlüsse „völlig fehl am Platz“. Der Vorschlag Stegners sei angesichts der bald fortschreitenden Alterung der Gesellschaft „aus der Zeit gefallen“. Die SPD habe Probleme mit ihrer eigenen Reformagenda 2010. „Für diesen Zickzack-Kurs der SPD gibt es in der Breite der Bevölkerung kein Verständnis“, sagte Barthle.


Rentner bezahlen Nahles-Reform teilweise selber mit

Die SPD-Politikerin Griese kündigte zugleich an, die geplante Lebensleistungsrente für Geringverdiener werde bereits 2015 kommen. „Mit dem Rentenpaket sind unsere rentenpolitischen Pläne in dieser Wahlperiode aber nicht zu Ende: Nächstes Jahr kommt auch noch die solidarische Lebensleistungsrente für Geringverdiener“, sagte Griese.

Die höhere Rente für Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern ist der teuerste Teil des Rentenpakets. Ihre Mehrkosten werden von der Regierung allein bis zum Jahr 2017 auf 23,3 Milliarden Euro veranschlagt. Die SPD hatte auf eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt gedrängt, was die Union aber ablehnte. „Perfekt wäre es gewesen, wenn wir es insgesamt durch Steuern finanziert hätten“, sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Dienstag bei einer DGB-Veranstaltung. Mit Finanzminister Wolfgang Schäuble sei aber eine vertretbare Lösung gefunden worden, weil ab 2019 aufwachsend insgesamt zwei Milliarden Euro zusätzlich aus dem Bundesetat an die Rentenversicherung gezahlt würden.

Stegners Vorstoß kommt nach dem Bekenntnis von Nahles zu der Einigung in der Koalition überraschend - zumal von einer Stabilisierung des Rentenniveaus bei über 50 Prozent nicht die Rede sein kann. Das Mindestsicherungsniveau beziffert die Rentenhöhe eines Durchschnittsverdieners nach 45 Beitragsjahren im Vergleich zu einem durchschnittlichen Arbeitsentgelt heutzutage.

Laut Gesetzentwurf sinkt das Sicherungsniveau, das derzeit bei 47,9 Prozent liegt, nun schneller: Während der Rentenversicherungsbericht vom November 2013 für 2030 noch ein Rentenniveau von 44,4 Prozent vorhersagte, geht das Arbeitsministerium nun von nur noch 43,7 Prozent aus. Derartige Berechnungen setzen immer voraus, dass Konjunktur und Beschäftigung sich nicht schlechter entwickeln als erwartet.

Der Grund dafür ist, dass auch Rentner zur Finanzierung des Rentenpakets beitragen. Durch den Verzicht auf Beitragssenkungen und die höheren Rentenausgaben fallen die jährlichen Rentenerhöhungen niedriger aus, wird in der Begründung des Gesetzentwurfs eingeräumt: „Das Sicherungsniveau vor Steuern fällt somit geringer aus.“ Oder in den Worten von Nahles: Die Rentner „bezahlen einen guten Teil der ganzen Chose selber mit“.

Stegner räumte ein, dass allein eine andere Finanzierung der Mütterrente das Absinken des Rentenniveaus bei den geltenden Regeln nicht verhindern kann. „Damit das Rentenniveau langfristig über 50 Prozent stabilisiert werden kann, müssen die Löhne und Gehälter vor allem von Frauen künftig stärker steigen als bisher“, sagte Stegner. „Aber auch die Lohneinkommen insgesamt müssen deutlicher zunehmen.“

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