Ebola-Krise Merkels Afrika-Beauftragter verzweifelt gesucht

Es gab Zeiten, da hat sich Günter Nooke mächtig für Afrika ins Zeug gelegt. Öffentlichkeitswirksam setzte sich der Merkel-Vertraute für Hunger-Staaten ein. Dass er zur Ebola-Katastrophe schweigt, empört die Opposition.

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Günter Nooke. Im April 2010 wurde der CDU-Politiker zum Persönlichen Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ernannt.

Berlin Am 24. September lädt die Unions-Bundestagsfraktion zu einem Afrika-„Fachgespräch“ in den Bundestag. Politiker und Experten diskutieren über die Zukunft des schwarzen Kontinents. Es geht um die „Chancen für die deutsch-afrikanische Wirtschaftskooperation“. So heißt es in der Ankündigung der Veranstaltung, zu der auch Günter Nooke erwartet wird. Nooke ist nicht irgendwer. Der CDU-Politiker ist, wie es in seinem Titel heißt, „persönlicher Afrika-Beauftragte der Bundeskanzlerin“.

Das Thema Ebola scheint aber nicht sein Thema zu sein. Es steht nicht auf der Tagesordnung des Expertentreffens, obwohl selbst US-Präsident Barack Obama inzwischen die Lage so einschätzt, dass die grassierende Epidemie in Westafrika „tiefgreifende wirtschaftliche, politische und sicherheitsrelevante Auswirkungen auf uns alle“ haben könne.

Nooke zieht es aber vor, im Bundestag über etwas anderes zu sprechen: „Wirtschaftskooperation auf Augenhöhe: Von der Rohstoffabhängigkeit zur Wertschöpfungskette“, lautet sein Thema. Nun ließe sich einwenden, dass solche Termine schon länger geplant sind und also die Tragweite von Ebola nicht habe erkannt werden können. Doch Angela Merkels Mann für Afrika-Fragen hat sich auch sonst nicht zu der Seuche und den Möglichkeiten deutscher Einflussnahme bei der Eindämmung geäußert.

In der jüngsten Pressemitteilung des Bundesentwicklungsministeriums, wo Nooke sein Büro hat, wird über dessen Reise Ende Juli nach Cotonou im westafrikanischen Benin und seinen Einsatz für Investitionen in den Agrar- und Ernährungssektor berichtet. In Nookes Blog findet sich dasselbe Thema. „Günter Nooke trifft den beninischen Staatspräsidenten Boni Yayi in Cotonou“, ist der letzte Eintrag betitelt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dagegen die Brisanz der Ebola-Epidemie inzwischen erkannt und umfangreiche Hilfe Deutschlands zugesagt. Bundestagsabgeordneten der Linken und der Grünen reicht das jedoch nicht aus. Sie halten das Schweigen von Merkels Afrikabeauftragten für inakzeptabel. Der Afrikabeauftragte der Bundesregierung „bleibe angesichts der Ebola-Katastrophe unsichtbar und unhörbar“, sagte die Gesundheitsexpertin der Linksfraktion im Bundestag, Kathrin Vogler, dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Das Amt kann man offenbar ersatzlos abschaffen und die so eingesparten Mittel den Ärzten ohne Grenzen spenden.“


„Seuche könnte zu einer überregionalen Bedrohung werden“

Auch Uwe Kekeritz, Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für Entwicklungspolitik, kritisierte Nookes Schweigen, obwohl in Westafrika „eine der größten gesundheitlichen Krisen unserer Tage“ herrsche. „Der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung sollte Anwalt der betroffenen Menschen sein und laut und deutlich Hilfe einfordern. Leider ist viel zu wenig von ihm zu hören“, sagte Kekeritz dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Kekeritz warf der Bundesregierung vor, es „sträflich“ verpasst zu haben, frühzeitig zu handeln. „Sie hat genauso wie die internationale Staatengemeinschaft viel zu lange weggeschaut, als das Virus begann, sich auszubreiten.“ Der Aufbau von verlässlich funktionierenden Gesundheitssystemen sei in dramatischer Weise vernachlässigt worden. „Diese Ignoranz wirkte am Ende wie ein Brandbeschleuniger für die Epidemie.“ Jetzt sei „schnelle und unbürokratische Hilfe“ gefragt, etwa für den Aufbau von Isolierstationen. „Gebraucht werden medizinisches Personal und logistische Unterstützung.“

Auch die Linke-Politikerin Vogler fordert ein stärkeres deutsches Engagement. „Der aktuelle Ebola-Ausbruch in Westafrika erfordert mehr Einsatz als die zehn Millionen, die die Bundesregierung bisher bereitgestellt hat“, sagte sie. Neben medizinischer Nothilfe werde auch Nahrungsmittelhilfe benötigt, weil die Ernten derzeit nicht eingebracht werden könnten. Vogler forderte die Bundesregierung zudem auf, „einen Krisenstab unter Einbeziehung von Nichtregierungsorganisationen und des THW einzurichten, der die Hilfe verstärkt und koordiniert“.

Dringenden Handlungsbedarf sieht auch der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach. „Von einer Pandemie-ähnlichen Situation sind wir noch weit entfernt. Aber: Es besteht die Gefahr, dass die Seuche außer Kontrolle gerät und zu einer überregionalen Bedrohung wird“, sagte der studierte Mediziner dem Handelsblatt. „Wenn der Virus mutiert, sind langfristig andere Infektionsmöglichkeiten nicht ausgeschlossen.“

Lauterbach plädierte für eine deutliche Aufstockung der finanziellen Hilfe, lehnte aber einen Einsatz der Bundeswehr ab. „Die Eindämmung der Seuche in den betroffenen Ländern ist keine Frage von Soldaten, sondern von mehr Isolierstationen“, sagt er. Im Übrigen leisteten die Amerikaner bereits einen großen Beitrag – auch zur Absicherung der Helfer.


Bundeswehr will 50 Krankenbetten nach Liberia fliegen

„Spiegel Online“ berichtet, dass die Bundeswehr bereits in den kommenden Tagen eine mobile Feldklinik mit 50 Krankenbetten nach Liberia entsenden werde. Diese solle von örtlichen Kräften betrieben werden, hieß es demnach am Mittwoch aus Kreisen des Verteidigungsministeriums. Bundeswehr-Personal solle hingegen vor Ort nicht zum Einsatz kommen.

Die Luftwaffe wurde am Mittwoch vom Verteidigungsministerium auch angewiesen, möglichst schnell eine Luftbrücke für Hilfsmaterial und Medikamente zu organisieren. Vermutlich würden deswegen zwei oder drei Transall-Transportflieger nach Dakar im Senegal verlegt werden, hieß es in Berliner Regierungskreisen. Dort habe die Bundeswehr bereits einen sogenannten Umschlagpunkt wegen des Mali-Einsatzes. In Dakar könnten dann Lieferungen gesammelt und mit den Transall in die Ebola-Region geflogen werden, hieß es weiter.

Dass die Bundeswehr Ärzte oder Sanitäter in die Ebola-Region schickt, erscheint hingegen nach jetzigem Stand eher unwahrscheinlich.

Die Präsidentin von Liberia, Elle Johnson Sirleaf, hatte in einem Schreiben an Bundeskanzlerin Merkel um konkrete Hilfen gegen die Seuche gebeten. Merkel sprach von einer dramatischen Lage. „Wir werden sehr schnell agieren und mit allem, was wir zur Verfügung haben, bereitstehen.“ Geplant seien zunächst Lufttransporte, um zu garantieren, dass Helfer ziviler Organisationen aus dem Krisengebiet gebracht werden könnten. Zudem werde sich Deutschland am Aufbau von Krankenstationen beteiligen. Auch unterstütze die Bundesregierung die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Nach Uno-Schätzungen wird die Eindämmung der Epidemie rund eine Milliarde Dollar kosten. Der WHO zufolge sind bislang 2461 Menschen an dem Ebola-Virus gestorben. Am stärksten betroffen sind Liberia, Guinea und Sierra Leone, aber auch in anderen Ländern Westafrikas sind Fälle bekanntgeworden.


Ärzte ohne Grenzen kritisiert lasches Deutschland-Engagement

US-Präsident Barack Obama hatte am Vortag einen massiven Hilfseinsatz gegen die Ebola-Epidemie angekündigt und die Weltgemeinschaft zu einem entschiedeneren Einsatz gegen Ebola aufgerufen.

Die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kritisierte den deutschen Einsatz gegen Ebola als unzureichend. „Anstatt mit aller Entschlossenheit die in Deutschland vorhandenen Kapazitäten zu nutzen, beschränkt sich das deutsche Engagement bislang lediglich auf die finanzielle Unterstützung vor Ort tätiger Organisationen“, schrieben der Geschäftsführer und der Vorstandvorsitzende der deutschen Sektion, Florian Westphal und Tankred Stöbe, heute in einem offenen Brief an Merkel.

Zur Bekämpfung des Ausbruchs müssten sofort der deutsche Katastrophenschutzapparat und andere geeignete Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Angesichts des Ausmaßes der Krise sei die bisherige Antwort der Staatengemeinschaft „kläglich“.

„Wir rufen Sie dazu auf, dringend benötigte Ressourcen zum Aufbau und Betrieb von Isolierzentren, insbesondere ausgebildetes Personal sowie Labor- und Transportkapazitäten, umgehend in die betreffenden Regionen zu entsenden“, schrieben Westphal und Stöbe. Das betreffe sowohl zivile als auch militärische Teams. Letztere dürften aber nur für medizinische Zwecke eingesetzt werden. In Abstimmung mit den betroffenen Ländern und unter Koordination der Vereinten Nationen sei zudem eine „schnellstmögliche, konkrete Umsetzung der von der Weltgesundheitsorganisation erarbeiteten Roadmap dringend geboten“. Deutschland habe hier eine „politische und humanitäre Verantwortung“.

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