Ehe für alle Merkel Kursschwenk schreckt Kirchen auf

Die geplante Abstimmung über die Ehe für alle ruft die Kirchen in Deutschland auf den Plan – allerdings mit unterschiedlichen Stoßrichtungen. Vor allem in der katholischen Kirche sorgt das Thema für Diskussionen.

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Deutschland ist nicht der einzige Nachzügler in Sachen Ehe für alle. In vielen Ländern ist sogar Homosexualität noch immer illegal und wird im Jemen, Iran, Irak, Afghanistan, Pakistan, Nigeria, Saudi Arabien, Somalia und dem Sudan sogar mit der Todesstrafe verfolgt. In weiteren afrikanischen Staaten, wie etwa Sambia, Tansania, Eritrea und Äthiopien drohen Homosexuellen Strafen von 14 Jahren bis hin zu lebenslanger Haft.

Berlin Der Kursschwenk von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Ehe für alle, hat eine Debatte auch innerhalb der Kirchen in Deutschland ausgelöst. Insbesondere unter den Katholiken sorgt das Thema für Diskussionen. Während sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, für den Erhalt der traditionellen Ehe aussprach, lehnte die innerkatholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ diese Festlegung ab.

Marx sagte: „Wir sind der Auffassung, dass der Staat auch weiterhin die Ehe in dieser Form schützen und fördern muss.“ Die Bischofskonferenz bedauere daher, „wenn dieser Ehebegriff aufgelöst werden soll und damit die christliche Auffassung von Ehe und das staatliche Konzept weiter auseinandergehen“.

Marx kritisierte auch das Vorgehen, dass nun im Eiltempo über das Thema im Bundestag abgestimmt werden soll. Nach Willen von SPD, Grünen und Linkspartei soll die Abstimmung über die Einführung der Ehe für alle am Freitagmorgen stattfinden. Das Gesetz würde eine völlige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare bringen.

Nötig ist dafür eine vorausgehende Abstimmung, in der der von Rheinland-Pfalz, über den Bundesrat eingebrachte und vom Rechtsausschuss des Bundestages gebilligte Gesetzentwurf auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt werden muss. Dies geht ebenfalls nur mit den Stimmen von SPD, Linken und Grünen. Damit würde die SPD erstmals in dieser Legislaturperiode mit den oppositionellen Grünen und Linken gegen den Willen des Koalitionspartners Union ein Gesetz durchbringen.

Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte die Abstimmung zu einer Gewissensentscheidung erklärt und damit den CDU- und CSU-Abgeordneten ihre Abstimmungsverhalten freigestellt. Einige Unions-Abgeordnete wie Jens Spahn oder Marcus Kaufmann hatten deshalb bereits angekündigt für das Gesetz zu stimmen. Andere sondieren bereits rechtliche Schritte dagegen.

„Es ist auch wegen der von vielen Seiten geäußerten erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken völlig unangemessen, eine solche gesellschaftspolitische Grundentscheidung in diesem überstürzten Verfahren zu fällen“, kritisierte Kardinal Marx. Zugleich betonte er, „dass es ein Missverständnis wäre, die hervorgehobene Rechtsstellung der Ehe und ihren bleibenden besonderen Schutz als Diskriminierung homosexuell veranlagter Männer und Frauen zu verstehen“.

Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ widerspricht dieser Auffassung. Die Ehe könne „als rechtliche Verbindung sowohl für hetero- wie homosexuelle Paare auf Dauer in einem demokratischen Staat nicht mehr außer Acht gelassen werden“, heißt es in einer Mitteilung der Organisation, „ansonsten werden ganze Menschengruppen weiterhin diskriminiert“.

Das Thema sorgt auch in sozialen Netzwerken unter Mitgliedern der katholischen Kirche für Diskussionen. Unter einem Beitrag der offiziellen Facebook-Seite „katholisch.de“, äußern zahllose Katholiken ihr Unverständnis. So schreibt ein User, dass er die Reaktion der Bischöfe nicht nachvollziehen könne, schließlich betreffe es nicht die „sakramentale Ehe nach christlichem Verständnis“. Auch homosexuelle Mitglieder der katholischen Kirche, werfen der Kirche vor realitätsfern zu handeln: „Wo ist der Schaden für die Kirche, wenn von staatliche Seite gleiche Pflichten mit gleichen Rechten ausgestattet werden? Noch kein Bischof konnte diese Frage schlüssig beantworten, zum Glück sind viele Priester in den Pfarreien vor Ort schon deutlich weiter“, schreibt ein User auf Facebook.


Umfrage: 74,7 der Deutschen für Öffnung der Ehe für Homosexuelle

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat keine Einwände gegen die Ehe für alle. Die Ehe biete die besten Voraussetzungen für das Zusammenleben von zwei Menschen. „Dass auch für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, die den Wunsch nach einer lebenslang verbindlichen Partnerschaft haben, der rechtliche Raum vollständig geöffnet wird, in dem Vertrauen, Verlässlichkeit und Verantwortung durch gesetzliche Regelungen geschützt und unterstützt werden, begrüßen wir“, erklärte der Rat der EKD.

Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau werde dadurch keineswegs geschmälert, sie werde im Gegenteil noch einmal unterstrichen, hieß es in der Mitteilung. Gleichzeitig räumt das Gremium ein, dass es in den evangelischen Landeskirchen wie auch weltweit unterschiedliche Auffassungen in der Frage der Ausgestaltung eines rechtlichen Rahmens gibt.

Innerhalb der Bevölkerung ist die Stimmungslage indes eindeutig. Nach einer Umfrage des Instituts Insa für die „Bild“-Zeitung sprechen sich 74,7 der Deutschen für die Öffnung der Ehe für homosexuelle Partner aus, 19,8 Prozent sind dagegen. Zwei Drittel der Befragten befürworten außerdem ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare, nur jeder Fünfte ist dagegen. 72,2 Prozent begrüßten, dass Merkel bei der Abstimmung im Bundestag den Fraktionszwang freigegeben hat.

CSU-Chef Horst Seehofer übte indes scharfe Kritik am Vorgehen der SPD. „Normalerweise ist das ein Koalitionsbruch“, sagte Seehofer der „Augsburger Allgemeinen“. Er empfinde es als „unwürdig“, dass die SPD das Projekt auf die Tagesordnung setze und eine parteipolitische Auseinandersetzung im Wahlkampf suche. Der mit Merkel verabredete Kurswechsel mit der Union sei für viele in CDU und CSU überraschend gekommen und werde sehr kontrovers gesehen, räumte er ein.

Die Spitzen von CDU und CSU hatten die neue Position am vergangenen Wochenende entschieden. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wies im Bundestag den Vorwurf zurück, dass die Sozialdemokraten aus taktischen Gründen gehandelt hätten.

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