Eigenes Konzept Weil verursacht Steuer-Chaos in der SPD

Niedersachsens Ministerpräsident will den Solidaritätszuschlag abschaffen und bei der Einkommensteuer einiges ändern. Manche in der SPD wird er damit verprellen –  insbesondere wegen des Timings.

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Der Ministerpräsident Niedersachsens legt ein eigenes Steuerkonzept vor. Quelle: dpa

Martin Schulz hat die CDU bislang selten hart attackiert. Außer in der Steuerpolitik. Die Versprechen der Union, die Einkommensteuer um 15 Milliarden zu senken und den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, seien „extrem ungerecht, ökonomisch unvernünftig und spalten unsere Gesellschaft“, sagte der SPD-Parteichef in seiner Parteitagsrede im März. In der SPD war bislang unstrittig: Anders als die CDU soll der Soli beibehalten werden.

Doch nun fährt Stephan Weil (SPD) Schulz überraschend in die Parade. An diesem Dienstag stellt Niedersachsens Ministerpräsident ein eigenes Steuerkonzept vor, den so genannten „Niedersachsen-Tarif“. Kern des Plans: Die Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Als hätte die SPD gerade nicht schon genug Probleme, halst Weil seiner Partei nur zwei Tage nach der verlorenen NRW-Wahl auch noch eine Soli-Debatte auf.

In der Bundes-SPD sorgt der Ministerpräsident mit seinem Vorpreschen für Kopfschütteln. Denn der Zeitplan des Willy-Brandt-Hauses sieht eigentlich vor, das Steuerkonzept möglichst spät vorzustellen, vielleicht sogar erst nach der Verabschiedung des Wahlprogramms Ende Juni. Es soll der SPD Rückenwind für die heiße Phase des Wahlkampfs geben. Doch nun wird Kanzlerkandidat Schulz ständig gefragt werden, was er denn von Weils Idee halte, den Soli abzuschaffen.

Das Konzept sieht vor, den Soli ab dem Jahr 2020 zu streichen und die Hälfte des Geldes durch eine Erhöhung der Einkommensteuer trotzdem einzunehmen. Der halbe Soli wird quasi die Einkommensteuer integriert.

Bei den Veränderungen am Einkommensteuertarif sollen Geringverdiener deutlich entlastet und der so genannte „Mittelstandsbauch“ flacher werden. Momentan steigt der Steuertarif zwischen einem Jahreseinkommen von 9.000 bis 14.000 Euro stark von 14 auf 24 Prozent an. Weil will den Steuersatz von 24 Prozent künftig erst ab einem Einkommen von 25.000 Euro greifen lassen. Eine Krankenschwester mit einem Bruttoeinkommen von 30.000 Euro hätte so seiner Rechnung nach 500 Euro mehr im Jahr in der Tasche.

Gleichzeitig will Weil Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten. Künftig soll der Reichensteuersatz von 45 Prozent nicht mehr wie heute ab gut 260.000 Euro Jahreseinkommen greifen, sondern schon ab 58.000 Euro zu versteuerndem Einkommen. Von da an soll die Steuerbelastung bis zu einem Einkommen von 150.000 Euro im Jahr auf 49 Prozent steigen. Unterm Strich würden aber 75 Prozent der 39 Millionen Steuerpflichtigen entlastet, rechnen Weil und sein Finanzminister Peter-Jürgen Schneider vor.

Mit den Änderungen am Steuertarif könnte sich Schulz vielleicht noch anfreunden. Auch die Bundes-SPD erwägt, den Spitzensteuersatz von derzeit 42 Prozent zu erhöhen, dafür aber ab einem höheren Einkommen greifen zu lassen. Mit seiner Forderung, den Soli abzuschaffen, erwischt Weil seine Parteifreunde aber auf dem falschen Fuß. Denn damit übernimmt Weil nicht nur eine Forderung der Union. In der SPD war bislang Konsens, den Soli beibehalten und die Einnahmen umwidmen zu wollen. Statt nach Himmelsrichtung sollen sie an Bedürftigkeit geknüpft werden. Das bedeutet konkret, dass nicht mehr nur Ostdeutschland von Hilfen profitieren soll, sondern auch ärmere Regionen zum Beispiel in NRW. Weder die SPD-Ministerpräsidenten im Osten, noch die SPD-Bürgermeister hochverschuldeter Großstädte im Ruhrgebiet dürften daher über den Vorschlag aus Niedersachsen erfreut sein.

Und auch nicht Martin Schulz. Er sagte in seine Parteitagsrede: „Mir ist wichtig, dass wir vor allem eine Entlastung der Familien hinbekommen, dadurch dass wir die Bildung gebührenfrei machen und dass wir Geld in die Hand nehmen, um eine vernünftige Bildungsinfrastruktur aufzubauen.“ Und dafür braucht der Staat seiner Meinung nach die Einnahmen aus dem Soli.

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