Einblick

Es ist zu früh für Scheingefechte

Erste Zeichen deuten auf einen Steuerwahlkampf hin. Das wird zu nichts führen. Nur Steuerwettbewerb kann neue Anreize setzen.

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Wolfgang Schäuble. Quelle: AP

Es war nach einer Teezeremonie mit den G7-Finanzministern und Notenbankchefs in Japan, als plötzlich ein Moment der Einsicht gekommen schien. Und was immer man Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in seinen Tee getan haben mag – schlecht kann es nicht gewesen sein. Denn Schäuble sagte: „Wir haben eine zu hohe Besteuerung der mittleren Einkommen.“ Und dann sagte er: „Wir haben Spielräume gewonnen, und da bin ich dafür, diese auch zu nutzen.“ Von Steuererleichterungen sagte er nichts, und die wurden auch sogleich als Möglichkeit von der CDU zurückgewiesen. Aber wer Schäuble kennt, weiß, dass er solche Sätze nicht dahinplappert.

Es wäre vermutlich angesichts des mangelnden Willens zu politischer Gestaltung dieser Tage vermessen, zu glauben, ein paar Fakten könnten Auslöser für neue Einsichten des Finanzministers gewesen sein. Die lauten nämlich, dass Bund, Länder und Kommunen nach der aktuellen Prognose bis zum Jahr 2020 zusammen mit 42 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen als bisher geplant rechnen können. Wer mehr einnimmt, kann zumindest mehr zurückgeben, besser noch: gleich weniger erheben. Das sind die Spielräume, die zwar gewonnen, aber offenbar auch gleich wieder zerronnen sind.

Am Thema Steuern kann man sich schnell die Finger verbrennen. Das hat der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Paul Kirchhof, 2005 erfahren müssen. Er forderte als Anwärter auf das Finanzministerium in einer schwarz-gelben Koalition die Einheitssteuer und wurde dafür als weltfremder Wissenschaftler verspottet. Die FDP, einst liberale Kraft mit Breitenwirkung im deutschen Politikbetrieb, schrumpfte unter Führung ihres ehemaligen Vorsitzenden Guido Westerwelle zur eindimensionalen Steuersparpartei. Und die Grünen? Nun, während ein Kind nur einmal auf die heiße Herdplatte fasst, um sich die Finger zu verbrennen, machen die Grünen das auch zwei Mal. Sie wollen mit der Forderung einer Vermögensteuer in den Bundestagswahlkampf 2017 ziehen. Der große Erfolg von 2013 kann nicht der Grund dafür sein.

Ganz ehrlich: Erwartet noch irgendjemand, dass diese vorzeitigen Scheingefechte, die auf den Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr zielen, etwas verändern? Das Thema aber verdiente eine ernsthafte Auseinandersetzung. Denn die Steuerfrage ist eine Kernfrage gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wofür wollen und sollten wir gemeinsam bezahlen? Und wie lässt sich gewährleisten, dass den Bürgerinnen und Bürgern nur das Nötigste auferlegt wird?

Neidisch kann man auf die Schweiz schauen, die einen erheblichen Steuerwettbewerb unter den Kantonen pflegt. Das mag gelegentlich zu seltsamen Auswüchsen führen. Grundsätzlich aber ist es die Garantie dafür, dass der Staat sich erklären und seine Forderungen begründen muss. Wettbewerb ist heilsam. Im wichtigsten Feld politischer Gestaltung, in der Steuerpolitik, findet er aber nicht statt.

Das sollte sich ändern. Statt einen allemal verkorksten Länderfinanzausgleich zu verhandeln, sollte eine unabhängige Kommission sich des föderalen Steuerwettbewerbs annehmen. Allerdings nicht unter Führung der Ministerpräsidenten. Sonst fragt man wieder die Frösche, ob der Teich kleiner werden darf.

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