Einblick Kann es so einfach sein?

Bei den Rechtspopulisten regiert gerade gehäuft der Kontrollverlust. Das könnte Europa retten – und die französische Wirtschaft.

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Quelle: dpa

Gehen die schlimmsten Befürchtungen vorbei wie ein Schnupfen? Zerlegen sie sich am Ende gar selbst? Kann es so einfach sein? Nein, noch ist das Wunschdenken. Noch ist es für solche Spekulationen viel zu früh. Noch sind die Rechtspopulisten eine ernst zu nehmende Gefahr. Heerscharen von alten weißen Männern schwärmen für sie, und längst nicht nur die. Noch. Im Kartell der Multikulti-Hasser läuft es gerade alles andere als rund. Deren wahres Gesicht drückt immer mehr durch die pseudodemokratische Kulisse. Unberechenbarkeit und Kontrollverlust kosten sie plötzlich Anhänger und Stimmen. Die Bombardierung des syrischen Militärflughafens durch die USA war in den Augen von Trumps Anhängern so ein Kontrollverlust. Nach dem Giftgasangriff durch die Rumpfarmee des Diktators Assad beklagte ein sichtlich betroffener US-Präsident die Tötung von „beautiful babies“ – und schlug zurück. 59 Tomahawks ließ er abfeuern. Zu Hause bei seinen Wähler explodierte zeitgleich der Glaube an das Gute im Weißen Haus. Hatte er nicht versprochen, sich rauszuhalten? Nur noch die USA zu schützen? Nie mehr Weltpolizist zu spielen? Wollte er nicht von Leuten wie Hillary Clinton und John McCain verachtet werden, anstatt Beifall zu kriegen? Und jetzt das. Es wird nicht die einzige Enttäuschung bleiben.

Das soziale Kapital, auf dem der Westen aufbaut, wird aufgezehrt. Ob Meinhard Miegel, Wolfgang Streeck oder Ulrike Ackermann - das stellen Konservative ebenso fest wie Linke und Liberale. Nur wer stoppt den Werteverfall?
von Ferdinand Knauß

Manchen Anhängern der AfD geht es gerade ähnlich wie ihren amerikanischen Glaubensbrüdern. Aus Protest gegen Merkels Flüchtlingspolitik wählten viele eine Partei, die sie naiverweise nur für sehr konservativ, aber nicht gefährlich hielten. Wer das Gegenteil behauptete, gehörte zur Lügenpresse, zum System der bösen Eliten. Nein, mit Nazis wollte man nichts zu tun haben. Und jetzt das. Björn Höcke passt partout nicht in dieses saubere Bild. Der thüringische Landesvorsitzende lässt sich nicht kontrollieren. In einer Rede kritisierte er kürzlich das Holocaust-Gedenken. Der Bundesvorstand der AfD wirft ihm nun im Ausschlussantrag „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ vor, manche vergleichen ihn angeblich mit Adolf Hitler. Dennoch halten weite Teile der Partei an ihm fest, bescheinigen ihm gar große Verdienste. Tatsächlich muss man ihnen recht geben. Es sind Verdienste um die Demokratie in diesem Land – wenn sich die Partei dank Höcke weiter zerlegen würde.

Marine Le Pen kennt dieses Phänomen seit Kurzem auch. Sie sollte eigentlich für die arbeitslosen Kumpel in Frankreichs Norden die Jobs zurückholen und für die pensionierten Fremdenlegionäre im Süden die Ausländer rausschmeißen. Nein, mit Nazis wollte sie nichts zu tun haben. Den alten Le Pen hatte sie ja längst rausgeschmissen. Und jetzt das. Vergangenen Sonntag ließ sie ihr wahres Ich frei und leugnete öffentlich die Mitschuld Frankreichs an der Deportation der Juden im Jahr 1942. Das Rennen um das Élysée könnte für sie gelaufen sein, glauben manche Politikanalysten schon. Kann es so einfach sein? Nein, aber es geht in die richtige Richtung – für Europa und vor allem für Frankreich. Dort wird gerade das Silicon Valley von morgen gebaut, wie unsere Korrespondentin Karin Finkenzeller aufgeschrieben hat. Le Pen würde da nur stören.

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