Einblick

Sorgen mit Vanilleeis

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Die Politik des billigen Geldes könnte in Deutschland bald für eine überhitzte Konjunktur sorgen. Das kümmert den Rest von Europa wenig – ein Fehler.

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Verkündet EZB-Chef Mario Draghi am 8. Juni die Wende? Kommt das Ende der Geldflut? Quelle: AP

Eigentlich ist doch alles gut. Draußen scheint die Sonne, riecht alles nach Vollbeschäftigung, boomen die Exporte, machen Immobilien reich, Aktien ebenso – und drinnen gibt es frische Erdbeeren mit Vanilleeis.

Auf der Hauptstadt-Party von Jens Weidmann herrscht vergangenen Montagabend gelöste Stimmung. Der Bundesbankchef hält gerade unter dem Glasdach der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft eine launige Rede zur wirtschaftlichen Lage, bei gefühlt 50 Grad im Anzug. Trotzdem bleibt er locker und vergleicht das Allzweckmittel Coca-Cola mit der Geldpolitik. Die schwarze Brause eigne sich als Fleckenentferner, Rostlöser und Düngemittel. Auch die Notenbank könne in den Augen der Öffentlichkeit alles auf einmal lösen.

Dann wird’s doch noch ein bisschen ernster. Angesichts des gedämpften Preisdrucks sei eine expansive Geldpolitik im Grundsatz weiterhin angemessen, tastet sich Weidmann langsam Richtung Fundamentalkritik vor. Aber aufgrund der fortschreitenden wirtschaftlichen Erholung und einer von allen Prognosen vorhergesagten Inflationsrate von knapp zwei Prozent im Jahr 2019 „ist es durchaus legitim zu fragen, wann der EZB-Rat eine geldpolitische Normalisierung in den Blick nehmen sollte“. Auch könne man, was den richtigen geldpolitischen Expansionsgrad angeht, durchaus unterschiedliche Auffassungen haben.

Tatsächlich gibt es gerade einiges zu fragen. Verkündet EZB-Chef Mario Draghi am 8. Juni die Wende? Kommt das Ende der Geldflut? Ist eine mögliche Überhitzung der deutschen Konjunktur im Rest von Europa ein Thema? Die Antwort dürfte dreimal Nein lauten. Allenfalls wird der Einstieg ins Ausstiegsvokabular angedeutet, mehr aber auch nicht. Draghi hat schon im Vorfeld der nächsten EZB-Sitzung am Donnerstag bereits zu großen Erwartungen den Boden entzogen. Die Inflation sei immer noch zu niedrig, das Lohnwachstum zu verhalten.

Der südliche Teil Europas kann sich nur scheinbar entspannen. Geld bleibt zwar weiterhin billig , aber eben für alle – auch für die deutschen Exporteure. Seit Monaten wird das Land wegen seiner Überschüsse an den Pranger gestellt, die unter anderem eine Folge des schwachen Euro sind, mit dem wiederum die Krisenländer gedopt werden. Das will dort keiner hören. Stattdessen soll Deutschland ein gigantisches Investitionsprogramm auflegen, um den Abstand zum Rest der Welt zu verringern. Solche Forderungen kommen nicht nur von Frankreich und Co., sondern seit Kurzem auch vom Internationalen Währungsfonds und bald wohl von Donald Trump. Das macht sie nicht sinnvoller. Deutschland erlebt gerade einen unheimlichen Aufschwung. Alle möglichen Experten schrauben ihre Prognosen nach oben. Die eine oder andere Blase deutet sich bereits an. Geht es mit der lockeren Geldpolitik so weiter, ist es nur eine Frage der Zeit, bis hierzulande eine gefährliche Überhitzung droht. Jetzt noch ein Konjunkturprogramm aufzulegen, nur um die ausländischen Gemüter zu kühlen, wäre Selbstmord. Eine Runde Vanilleeis tut es da auch.

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