Einblick

Was ist so schlimm an Polo?

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Alles diskutiert über Ungerechtigkeit und Reiche. Eine Debatte über Leistungsdenken und Risikobereitschaft wäre mindestens so wichtig.

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Quelle: fotolia

Das Klischee vom reichen Menschen gilt beinahe universell. Er fährt vor der Karibikinsel St. Barth Wasserski. Er fliegt den Privatjet selbst und macht am liebsten Urlaub im eigenen Hotel. Baden in Kaviar war gestern, heute schwimmt er in Kunst – aufgehängt im eigenen Museum. Dazu gibt es stilles Wasser, prickelnder Champagner gilt als zu vulgär. Sein Weg nach ganz oben kann eine steile Karriere gewesen sein. Oft war es aber nur eine Geburt am richtigen Ort zur richtigen Zeit in der richtigen Familie. Arbeiten müsste er eigentlich schon lange nicht mehr, von seinen Geldanlagen kann er locker leben. Mehrere Millionen flüssige Mittel sind bei ihm der Normalzustand.

Nur in Deutschland ist alles ein bisschen anders. Viele Reiche haben noch nie von St. Barth gehört, können höchstens ihre Spielzeugdrohne selbst fliegen, die Kunst an der Wand hat die dreijährige Tochter gemalt, und stilles Hahnenwasser wird getrunken, weil Champagner einfach zu viel kostet.

In kaum einem anderen Land schaffen es so viele kleine Angestellte so schnell in die Liga der großen Verdiener wie in Deutschland – staatlich verordnet. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent greift hierzulande schon ab 54.000 Euro brutto. 4,2 Millionen Arbeitnehmer zahlen diesen Satz. Das sind doppelt so viele wie 2012. Die Steuertarife wurden seit Jahren nur geringfügig angepasst.

von Dieter Schnaas, Simon Book, Max Haerder, Mona Fromm

Dass ein Mensch ab 54.000 Euro Einkommen als reich gilt, ist nur ein Beleg für die mitunter absurde Reichtumsdebatte in diesem Land. Wer ein klein bisschen mehr hat als der Durchschnitt, hat bereits keine Lobby mehr. Wer viel mehr hat, wird automatisch zum Feindbild. Vermögen gilt in Deutschland schnell als suspekt, ein Großverdiener als Abzocker.

Tatsächlich scheint die Realität den üblen Ruf zu bestätigen. Vor allem manche Topmanager stellen den Zusammenhalt einer demokratischen Gesellschaft regelmäßig auf die Probe, erweisen der sogenannten Elite einen Bärendienst. Sie kassieren selbst für mittelmäßige Leistungen astronomische Gehälter, fliegen nur First Class und heizen ihren Koiteich auf Firmenkosten. Sie sehen sich oft über dem Gesetz stehen, von jeder Bodenhaftung befreit. Das kann keiner nachvollziehen. Das gilt zu Recht als ungerecht.

Doch längst nicht jedes Vermögen ist so entstanden, nicht jede Karriere so abgehoben. Meist sind die Geschichten dahinter verblüffend unspektakulär. Sie handeln von guten Ideen, alles auf eine Karte setzen, Ehrgeiz, Glück und Arbeit bis tief in die Nacht. Wer es so schafft, sich mehr leisten zu können, soll es tun können. Der soll auch seine Extravaganz ausleben. Der soll auch den protzigen Polospieler geben, wenn es unbedingt sein muss. Dafür muss sich keiner entschuldigen, solange er seinen finanziellen Beitrag an die Gemeinschaft ohne Tricks abliefert. Ein unverkrampftes Verhältnis zu Leistung, Risikobereitschaft und Reichtum ist das beste Konjunkturprogramm für Deutschland. Moderate Steuersätze auch.

In St. Barth gibt es übrigens gar keine Einkommensteuer. Und das ist kein Klischee.

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