Einkommen und Steuern Das Wettrennen der Steuersenker ist eröffnet

Während Finanzminister Schäuble und selbst die CSU eher bescheidene Steuerentlastungen in Aussicht stellen, operiert der Wirtschaftsflügel der Union mit großen Zahlen. Haben die Pläne Chance auf Umsetzung? Ein Kommentar.

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Im Sinne der Steuersenkungen überbietet Linnemann seine Unionskollegen Schäuble und Söder. Quelle: dpa

Düsseldorf Wenn es um Steuersenkungen geht, hantiert Carsten Linnemann gerne mit großen Zahlen. Der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) gehört traditionell zu den Stimmen innerhalb der Union, die auf eine möglichst kräftige Entlastung der Bürger drängen. So verwundert es nicht, dass Linnemann nun im gerade begonnenen Steuersenkungs-Wettrennen vorprescht. Er fordert mit seinem Konzept Steuersenkungen von rund 30 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020.

Das ist fast drei Mal so viel wie das Entlastungsvolumen, das Wolfgang Schäuble (CDU) vorschwebt. Er hält zwölf Milliarden Euro für realistisch. Selbst Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) war vergleichsweise bescheiden. Sein Bayern-Tarif würde den Fiskus rund zehn Milliarden Euro kosten.

Linnemann überbietet die beiden Unionskollegen also deutlich. Und er hat dafür durchaus gute Gründe. Erstens hat sich Schäuble mit seinen zwölf Milliarden Euro viel ärmer gerechnet als er ist. Der Fiskus hätte durchaus mehr Spielraum. Das lässt sich nicht zuerst an den stetig steigenden Steuereinnahmen ablesen. Rekordwerte sind hier die Regel: Solange die Wirtschaft wächst, tun es die Staatseinnahmen auch. Aussagekräftiger ist die Steuerquote, also das Verhältnis von Steuereinnahmen zu Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Und sie zeigt durchaus Nachholbedarf in Sachen Entlastung: Aktuell beträgt sie rund 22,8 Prozent. Die Quote lag in Schäubles Amtszeit als Finanzminister schon mal mehr als einen Prozentpunkt niedriger. Mit anderen Worten: Es sind rund 30 bis 40 Milliarden Euro Entlastung drin – politischen Willen vorausgesetzt.

Doch an dem hat es bisher bei Schäuble gemangelt. Seit Amtsantritt als Finanzminister im Jahre 2009 präsentiert er sich als Etatist. Und anfangs war seine Knauserigkeit durchaus gut begründet. Für Schäuble hatte der Abbau der Neuverschuldung Priorität. Steuern zu senken und gleichzeitig Schulden zu machen, wäre ein Geschenk, das die kommende Generation zahlen muss. Doch nun hält Schäuble die schwarze Null schon seit drei Jahren.

Er hätte also längst auch für die Steuerzahler etwas machen können. Genug Geld wäre da. Trotz der Ausgaben für die Flüchtlingskrise steht Schäubles Haushalt glänzend da. Seine Untätigkeit aber führte dazu, dass sich die Große Koalition immer neue Ausgaben ausdachte. Hat der Bürger sein Geld erstmal in Form von Steuern aus der Hand gegeben, wird es ein Politiker garantiert auch ausgeben. Schließlich lassen sich auch koalitionsinterne Streitigkeiten am besten mit Geld lösen.


Nun will Linnemann mehr

Und so verhallten die Linnemanns Rufe nach Steuersenkungen in den vergangenen Jahren weitgehend ungehört. Abgesehen von einem kleinen Erfolg: Mit viel Druck und einem Bündnis mit der Jungen Union und dem Arbeitnehmerflügel schaffte es Linnemann, zumindest einen Mini-Beitrag zum Abbau der kalten Progression zu erzielen. So nennt man den Effekt, dass eine Lohnerhöhung durch die steigende Steuer gleich wieder aufgefressen wird, selbst wenn sie nur die Inflation ausgleicht. Real hat der Arbeitnehmer dadurch am Ende sogar weniger. Immerhin eine Milliarde rückte Schäuble schließlich raus, um den Effekt etwas abzumildern.

Nun will Linnemann mehr. Und wieder versucht er offenbar, Verbündete zu sammeln. Seine erste Stufe sieht die Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags vor. Das dürfte dem Arbeitnehmerflügel gefallen. Die dritte Stufe zielt auf eine Entlastung der Familien. Dafür können sich auch Sozialpolitiker erwärmen. Und die zweite Stufe ist fast schon Konsens in der Union: Die unteren und mittleren Einkommen müssen entlastet werden. Der Steuertarif ist mittlerweile viel zu steil, der Spitzensteuersatz greift zu früh.

Die Vorschläge von Linnemann sind also durchaus anschlussfähig in der Union. Die entscheidende Frage ist, ob sie es auch zusammen und in Kombination sind. 30 Milliarden Euro Entlastungen sind ein Volumen mit dem sich ein Finanzminister schwer tut, selbst wenn er die Spielräume eigentlich hätte. Lauten Widerstand wird es nun vermutlich nicht geben. Der Ruf nach Steuersenkungen ist populär, das weiß auch Schäuble mit seiner Wahlkampferfahrung. Aber bis zur Umsetzung ist es ein weiter Weg.

Zunächst müsste Linnemann seine Pläne im Wahlprogramm verankern, dann müssen sie es nach der Wahl in den Koalitionsvertrag und schließlich irgendwann in Gesetzesform. Das sind viele Stationen, auf denen eine Steuerreform verwässert und verkleinert werden kann. Auch deshalb mag Linnemann nun mit 30 Milliarden Euro eine hohe Forderung in den Raum gestellt haben. Wie viel davon dann übrig bleiben wird, ist eine andere Frage.

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