Einwanderung Warum viele Türken weniger integriert sind als andere Gruppen

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Entscheidend ist die kulturelle Nähe oder Distanz

Beim Staat sind wohl kaum die Ursachen dafür zu finden, warum neben den deutschstämmigen und daher sofort eingebürgerten Aussiedlern auch nicht unmittelbar eingebürgerte Einwanderer aus Italien oder Jugoslawen deutlich erfolgreicher im Arbeitsleben waren und sind als Türken und deren längst eingebürgerte Kinder und Enkel.

Für Politiker – als Herren über die Bürokratie – ist der Glaube an die integrative Allmacht des Staates, den sie regieren, nachvollziehbar. Realitätsnäher und wissenschaftlich tragfähiger wird er dadurch aber nicht.

Eine glaubhaftere Erklärung der Integrationsunterschiede findet man dagegen etwa beim Migrationssoziologen Ruud Koopmans. Er zeigt, was Ökonomen, die für nicht statistisch messbare oder aktenkundige Größen leider oft blind sind, nicht sehen: Die kulturelle Nähe oder Distanz spielt eine entscheidende Rolle. Je größer diese Distanz der Zugewanderten oder deren Nachkommen zur Mehrheitsgesellschaft ist, desto größer sind im Schnitt auch deren Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt. „In allen europäischen Ländern liegen muslimische Immigranten bei fast allen Merkmalen der Integration hinter allen anderen Einwanderergruppen. Das gilt für den Arbeitsmarkt, aber auch für Bildungsergebnisse, für interethnische Kontakte, also solche mit der heimischen Bevölkerung, und die Identifikation mit dem Wohnland“, sagte Koopmans im WiWo-Interview. Kulturelle Assimilationsbereitschaft, so kurz gefasst seine These, ist die beste Voraussetzung für eine gelingende Integration.

Koopmans wurde lange von der Migrationsforschung in Deutschland und erst recht von den politischen Akteuren ignoriert oder gar angefeindet. Seine Ergebnisse sind schließlich unbequem für Politiker, da sie keine konfliktfreien Lösungen durch bürokratische Akte des Staates nahelegen. Kultur und religiöse Praxis von Menschen sind in einem freien Land dem direkten Zugriff des Staates schließlich mit gutem Grund entzogen.

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