Elektrosmog Wie gefährlich ist Elektrosmog?

Stromtrassen machen krank – fürchten Anwohner. Wissenschaftler haben dafür aber noch keine triftigen Beweise gefunden.

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Trassen Quelle: dpa/dpaweb

Die Symptome kommen plötzlich: Schwindelgefühl, Sehstörungen, Schweißausbrüche, Herzrasen. Die Ärzte sind ratlos. Doch für viele Betroffene, die sich selbst elektrosensibel nennen und sich in Internet-Foren über ihre Leiden austauschen, steht fest, was die Ursache all dessen ist: Hochspannungsleitungen und der Elektrosmog, den sie ausstrahlen.

Stromtrassen werden von vielen Bürgern seit Langem für Beschwerden wie Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit verantwortlich gemacht. Medien berichten auch immer wieder über Studien, die Freileitungen angeblich in Verbindung bringen mit Leukämie und Alzheimer, Krebs und Depressionen. Und so bangen, wo immer in Deutschland neue Energietrassen geplant sind, Anwohner um ihre Gesundheit: „Strom macht krank“, glaubt die Bürgerinitiative „Pro Erdkabel NRW“.

Was umgangssprachlich Elektrosmog genannt wird, sind elektrische und magnetische Felder. Sie treten überall auf, wo Strom fließt. Sichtbar sind sie für den Menschen nur selten, etwa an Kompassnadeln, die vom Magnetfeld der Erde angezogen werden, oder bei Entladungen zwischen Hand und Türklinke. Bei Hochspannungsleitungen sind sie direkt unter den Kabeln am intensivsten und nehmen mit wachsendem Abstand stark ab.

Das bittere Fazit aus einem Jahr Energiewende
Kühltürme des Braunkohlekraftwerkes der Vattenfall AG im brandenburgischen Jänschwalde (Spree-Neiße) Quelle: dpa
Freileitungen verlaufen in der Nähe eines Umspannwerkes bei Schwerin über Felder Quelle: dpa
Die Flagge Österreichs weht auf einem Hausdach Quelle: dpa
Ein Strommast steht neben Windkraftanlagen Quelle: AP
Windräder des Windpark BARD Offshore 1 in der Nordsee Quelle: dpa
Eine Photovoltaikanlage der Solartechnikfirma SMA Quelle: dpa
Euroscheine stecken in einem Stromverteile Quelle: dpa

Angst vor Alzheimer

Nachgewiesen ist bisher nur, dass elektromagnetische Felder ab einer bestimmten Schwelle Nerven- und Muskelzellen reizen können. Kommt die Nervenleitung im Körper zu sehr durcheinander, drohen zum Beispiel Herzrhythmusstörungen. Die gesetzlich erlaubten Feldstärken in der Nähe von Hochspannungsleitungen liegen aber ungefähr 100 Mal unter dieser Schwelle. „Die Grenzwerte für Hochspannungsleitungen sind nach heutigem Wissensstand geeignet, schädliche Wirkungen auf den menschlichen Körper zu verhindern“, sagt Anja Schulte-Lutz, Expertin vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Der Elektrosmog der umstrittenen Strippen wird im Übrigen oft von Geräten aus dem Haushalt übertroffen, die nah am Körper verwendet werden. „Ein Haarföhn in der Hand kann stärkere Felder erzeugen als die Stromleitung vor der Tür“, sagt Achim Enders, Leiter des Instituts für Elektromagnetische Verträglichkeit der Technischen Universität Braunschweig. Ähnliches gilt für den Elektrorasierer im Bad oder das Radio auf dem Nachttisch.

Doch wie sieht es mit anderen Krankheitsrisiken aus, von denen womöglich niemand etwas ahnt? Zum Beispiel Alzheimer: Laut einer Studie der Universität Bern haben Menschen, die länger als 15 Jahre in einem Umkreis von 50 Metern um eine Hochspannungsleitung wohnen, ein doppelt so hohes Risiko, das gefürchtete Leiden zu entwickeln, als Menschen, die keine Stromtrasse in der Nähe ihrer Wohnung haben. Zu dem Ergebnis kamen die Forscher, nachdem sie 9200 Alzheimer-Todesfälle aus der Schweiz untersuchten. 20 Betroffene hatten nah an einer Stromtrasse gewohnt. Verglichen mit dem Bevölkerungsdurchschnitt, hätten es nur zehn sein sollen.

"Möglicherweise Krebserregend"

Labormaus Quelle: AP

Trotzdem kann die Studie nicht als Beweis dafür gewertet werden, dass elektrische Felder Alzheimer auslösen. Dafür müsste erst ein entsprechender biologischer Wirkmechanismus gefunden werden. Zudem konnten laut BfS andere Studien keine Verbindung zwischen der Demenz und niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern herstellen, mit denen Menschen über Jahre hinweg im Beruf belastet waren.

Ähnlich ist die Lage bei Krebs. Forscher fanden eine Häufung von Leukämiefällen bei Kindern, die daheim starken magnetischen Feldern ausgesetzt sind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft niederfrequente Felder, wie sie Freileitungen erzeugen, daher als „möglicherweise krebserregend“ ein. Doch bestehe der Zusammenhang in Deutschland nur bei rund einem Prozent der Fälle, also bei sechs Kindern pro Jahr. Ob diese Kinder aufgrund der Magnetfelder erkrankt sind, ist unklar. Denn wie Leukämie entsteht, weiß die Medizin noch nicht.

Grafik: Unsichtbare Kräfte Quelle: EW Medien

Studien an Mäusen

Laborversuche an Tieren und an Zellkulturen haben bisher jedenfalls keinen Beleg dafür gefunden, dass Elektrosmog aus Stromleitungen das menschliche Erbgut schädigt und damit Tumore auslöst, wie es bei Röntgenstrahlen der Fall ist. Theoretisch könnten elektrische und magnetische Felder Krebs zwar auch indirekt begünstigen – indem sie etwa die Bildung krebshemmender Substanzen im Körper unterdrücken. Doch auch hier gibt es trotz ausgiebiger Studien etwa an Mäusen und Zellkulturen keinen Nachweis.

Viele Anwohner von Netztrassen, die nun ausgebaut werden sollen, befürchten, dass die doppelte Zahl von Leitungen auch doppelt so viel Elektrosmog verbreitet. Das aber sei nicht der Fall, sagt Achim Enders, Leiter des Instituts für Elektromagnetische Verträglichkeit der Technischen Universität Braunschweig: „Häufig kompensieren sich mehrere Felder gegeneinander.“ Die zusätzliche Belastung sei dann vergleichsweise gering.

Und die Kopfschmerzen, über die Stromtrassen-Anrainer klagen? Eine Arbeit des Schweizer Bundesamts für Umwelt, die die Forschungslage bis Ende 2011 zusammenfasst, resümiert: Es fehle ein Beleg für die Wirkung elektromagnetischer Felder auf das Befinden von Menschen. So zeigten Testpersonen keine körperlichen Reaktionen auf starke Felder, denen sie über mehrere Stunden hinweg ausgesetzt waren. Elektrosensibilität ist als Krankheit daher nicht anerkannt.

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