Energie-Lobby Dauergäste im Kanzleramt

Manager der Energiebranche pflegen einen regen Austausch mit der Bundesregierung. Aber auch Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, WWF oder die Deutsche Umwelthilfe gehen in den Ministerien ein und aus.

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Die Spitzen der Bundesregierung pflegen einen regen Austausch mit den Akteuren der Energiebranche. Quelle: picture alliance / Paul Zinken/d

Berlin Die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken zum Thema „Lobbyismus und Energiewirtschaft“ umfasst 28 Seiten und enthält mehr Namen als das Telefonbuch einer mittelgroßen Ortschaft. Aufgeführt werden Manager und Verbandsvertreter aus der Energiebranche, die im Kanzleramt, im Bundeswirtschaftsministerium oder in anderen Ministerien mit Ministern oder Staatssekretären zusammengetroffen sind.

Die Auflistung belegt: Die Spitzen der Bundesregierung pflegen einen regen Austausch mit den Akteuren der Energiebranche. Manager wie Johannes Teyssen (Eon) oder Peter Terium (heute Innogy, früher RWE) gehen im Kanzleramt und im Wirtschaftsministerium ein und aus. Allein Terium kommt auf acht Treffen mit Spitzenvertretern der Bundesregierung. Die Liste der Kontakte bezieht sich auf den Zeitraum zwischen Mitte 2014 und Anfang 2017.

Auch Johannes Teyssen war in dieser Zeit immer wieder in Berlin zu Gast. Gelegentlich suchten Teyssen und Terium auch gemeinsam das Gespräch mit Regierungsvertretern, so etwa am 4. Mai 2015, als sie im Bundeskanzleramt auf Angela Merkel trafen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier, Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) saßen praktischerweise gleich mit am Tisch.

Terium und Teyssen sind die prominentesten Vertreter der Branche, die das Gespräch mit der Regierung suchten. Auch Manager wie Frank Mastiaux (EnBW), Rolf Martin Schmitz (RWE), Boris Schucht (50Hertz), Klaus Schäfer (Uniper), Lex Hartman (Tennet) oder Tuoma Hattaka (Vattenfall) finden sich auf der Liste. Hinzu kommt das Heer der Verbandslobbyisten: Utz Tillmann (VCI), Johannes Kempmann (BDEW) oder Klaus Mittelbach (ZVEI) hatten ebenfalls ausgiebig Gelegenheit, Ministern und Staatssekretären ihre Standpunkte darzulegen.

Die Auflistung, unterzeichnet von Uwe Beckmeyer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, skizziert nur einen Teil der Kontakte zwischen Energiebranche und Bundesregierung: Sie umfasst ausschließlich die Treffen, die die Leitungsebene der Ministerien mit Vertretern der Energiebranche hatte. Beckmeyer betont, dass Treffen zwischen Ministerialen unterhalb der Staatssekretärsebene und Lobbyisten nicht erfasst seien.


Bittsteller statt Raufbolde

Wie erklärt sich der rege Austausch zwischen Kanzlerin, Ministern, Staatssekretären und den Energiemanagern? Kaum eine andere Branche ist so massiv von staatlicher Regulierung betroffen wie die Energiebranche. Ob es um die Förderung erneuerbarer Energien, um die Zukunft der Kohleverstromung, um den Ausbau der Stromnetze oder die Finanzierung der Lagerung von Atommüll geht – die Unternehmen sind unmittelbar von den Entscheidungen der Politik abhängig und haben entsprechend hohen Gesprächsbedarf.

Gerade die Energiebranche steht von je her in dem Verdacht, ihre Interessen besonders rücksichtslos durchzusetzen. Die Fälle, in denen Gesetzesentwürfe in den Konzernzentralen vorformuliert und von den Ministerien eins zu eins übernommen worden sein sollen, sind Legende. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Auch die Großen der Branche backen mittlerweile kleine Brötchen. Und Kanzlerin Merkel wird nachgesagt, dass ihr das Gebaren einiger Energiemanager zu Beginn ihrer Amtszeit gehörig auf die Nerven ging.

Aus einigen der selbstbewussten Raufbolde vergangener Tage sind längst Bittsteller geworden. Gerade Platzhirsche wie RWE oder Eon wurden in dieser Legislaturperiode von der Politik dazu gezwungen, sich komplett neu zu erfinden.

Gleichwohl kritisiert Eva Bulling-Schröter, energiepolitische Sprecherin der Linken und Initiatorin der Anfrage, die Nähe zwischen Branchenmanagern und Regierungsvertretern. Die schwarz-rote Koalition bleibe im Energiebereich „eine Große Koalition der großen Bosse“, sagt sie. Es gebe eine „offensichtliche Bevorzugung der Wirtschaftsriesen gegenüber dem Umweltschutz“, kritisiert sie.

Den Vorwurf, man schenke den Dinos der Branche zu viel Gehör, will Beckmeyer indes nicht stehen lassen: Die Bundesregierung stehe „grundsätzlich mit allen relevanten Akteuren“ im regelmäßigen Austausch, schreibt Beckmeyer. Auch dafür liefert die Auflistung Belege. Denn Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, WWF oder die Deutsche Umwelthilfe gehen in den Ministerien ebenfalls ein und aus.

Auch die Schlüsselrolle, die der Thinktank „Agora Energiewende“ spielt, wird durch die Auflistung deutlich: Agora-Chef Patrick Graichen, früher im Bundesumweltministerium tätig, war allein in der Zeit von Juli 2014 bis Dezember 2014 sechsmal Gast im Bundeswirtschaftsministerium. Ähnliches gilt für Regine Günther (früher beim WWF, seit Dezember 2016 parteilose Umweltsenatorin in Berlin), die allerdings nicht im Wirtschafts-, sondern im Umweltministerium zu den Stammgästen zählte.

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