Erben Was für und gegen die Erbschaftsteuer spricht

Das parteipolitische Geschacher um die Erbschaftssteuerreform kratzt leider argumentativ nur an der Oberfläche. Die Menschen interessieren andere als die von den Parteien behandelten Fragen, wie eine Untersuchung zeigt.

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Nachlass ohne Testament
Streitereien zwischen Familienmitgliedern Quelle: Fotolia
Gesetzliche Erbfolge Quelle: Fotolia
Erben der ersten Ordnung Quelle: AP
Ehepartner Quelle: Fotolia
Witwe Quelle: Fotolia
Geschwister Quelle: dpa
Keine Kinder

Wie auch immer die Koalitionsparteien sich einigen werden, der Streit über die Neuregelung der Erbschaftssteuer erscheint in der Berichterstattung als durchschaubares Geschacher. Der angeschlagene Sigmar Gabriel will seinen Genossen einen Sieg schenken – und das bedeutet, dass die „Reichen“ mehr bezahlen müssen als bisher. Horst Seehofers CSU dagegen baut den Popanz der in den Ruin besteuerten Familien(unternehmen) auf, als deren Retter er sich präsentieren will.

Die Frage nach dem Sinn und der moralischen Rechtfertigung der Besteuerung von Erbschaften taucht da in der Regel kaum auf. Stattdessen kratzen Politiker wie Beobachter gleichermaßen mit ihren Argumenten und Motiven nur an der Oberfläche einer Institution, die wie kaum eine andere die Eigentums- und damit Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bestimmt.  

Was die Deutschen erben werden
Eine aktuelle Studie der Deutschen Bank zeigt: Viele Erben dürfen sich über Wohneigentum freuen. Bis 2060 werden laut Studie Wohnimmobilien im Wert von 2,7 Billionen Euro vererbt.Quelle: Deutsche Bank Quelle: dpa
Aber auch in den nächsten fünf Jahren bis 2020 ist das Erbvolumen bei dem Immobilien gewaltig. Immobilien im Wert von 100 Milliarden Euro sollen bis dahin vererbt werden. Den größten Anteil mit fast 60 Prozent machen Wohnimmobilien aus. Quelle: dpa
Die Studie macht aber auch auf einen Missstand aufmerksam. Es gibt in Deutschland aufgrund der alternden Bevölkerung einen Bedarf an barrierefreien Wohnungen für Senioren. 750.000 altersgerechte Wohnung fehlen demnach aktuell in Deutschland. Quelle: dpa
Von den circa acht Millionen reinen Seniorenhaushalten, leben 50 Prozent in Wohnungen die vor 40 Jahren gebaut wurden. Nur fünf Prozent leben bereits in einer barrierefreien Wohnung, so die Studie. Quelle: dpa
Aus diesem Mangel an altersgerechten Wohnungen und einer immer älter werdenden Bevölkerung werden in den kommenden Jahr massive Investitionen fällig. Die Studie schätzt das nötige Investitionsvolumen in den kommenden Jahren auf 40 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Die Studie schlägt vor, das Bedarfsproblem als Generationenprojekt aufzufassen. Viele ältere Leute überlassen schon vor ihrem Tod den Nachkommen das Haus, bleiben aber zunächst darin wohnen. Die Verfasser der Studie schlagen vor, dass die Erben als Gegenzug der Schenkung die Immobilie altersgerecht sanieren. Quelle: dpa
Alternativ zur Renovierung schlagen die Verfasser vor, die älteren Generationen sollten früher ausziehen und dafür von den Nachkommen die Kosten für einen anderen Alterswohnsitz tragen. Quelle: dpa

Die Diskussion um die Erbschaftssteuer findet in einer Gesellschaft statt, die einerseits alle durch Geburt statt durch eigene Taten erworbenen Ungleichheiten für nichtig und inakzeptabel hält und sie daher mit Antidiskriminierungsgeboten zu nivellieren trachtet. Die einzige akzeptierte Ungleichheit: die des materiellen Besitzes. Aber dass der eine mehr Geld als der andere besitzt, kann in säkularisierten, kapitalistischen Gesellschaften nur unter einer Bedingung widerspruchsfrei gerechtfertigt werden: Wenn „Leistung“ der Grund dafür ist. „Leistung muss sich lohnen“ ist daher ein politischer Schlachtruf, gegen den heute kaum ein Kraut gewachsen ist.

Da scheint, könnte man meinen, das Recht aufs möglichst unbegrenzte Erben kaum zu rechtfertigen zu sein. Denn beim Erben geraten beide Vorgaben -  Gleichheits- und Leistungsprinzip - in einen unauflösbaren Konflikt miteinander: Erben kommen genauso unverdient durch die biologische Lotterie der Geburt an ihre Vermögen, wie Afrikaner zu ihrer Hautfarbe. Erbschaften stehen daher, wie die Soziologen Jens Beckert und Lukas Arndt vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung feststellen, „quer zur Legitimation sozialer Ungleichheit aus Leistungsunterschieden“. 

Was Erben wissen sollten
Alleinerbe Der Alleinerbe erbt als einzige Person. Er tritt rechtlich „in die Fußstapfen des Verstorbenen“ und übernimmt dessen gesamte Rechte, aber auch Pflichten. Quelle: dpa
Gesetzliche Erbfolge Die gesetzliche Erbfolge greift immer dann, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt. Danach wird der Nachlass zwischen dem Ehepartner und den Verwandten des Verstorbenen aufgeteilt, wobei Kinder und Enkel des Erblassers Vorrang vor Eltern, Großeltern oder anderen Angehörigen genießen. Quelle: REUTERS
Annahme der ErbschaftWer in Deutschland erben will, muss dafür in der Regel nichts tun. Vor allem braucht er die Annahme des Erbes nicht zu erklären. Dieses Phänomen heißt im Juristen-Deutsch “Von-Selbst-Erwerb.“ Quelle: AP
Ausschlagung der Erbschaft Wer nicht erben will, kann (und muss) die Erbschaft innerhalb einer Frist von sechs Wochen ausgeschlagen. Die Zeit läuft ab dem Moment, in dem der Betreffende von der Erbschaft und deren Gründen erfahren hat. Nach Ablauf der Frist ist eine Ausschlagung in der Regel nicht mehr möglich. Lediglich in Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, die Annahme der Erbschaft anzufechten. Quelle: REUTERS
EhegattentestamentVerheiratete und eingetragene Lebenspartner können ein gemeinschaftliches Testament errichten. Eine weit verbreitete Form ist dabei das sogenannte Berliner Testament. Dabei setzen sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Vollerben ein. Erst wenn beide Partner verstorben sind, werden auch die Kinder bedacht. Sie werden zu Schlusserben, also zu Erben des länger lebenden Ehegatten ernannt. Quelle: dpa
Pflichtteil Ein Erblasser kann bestimmte Personen von der Erbfolge ausschließen, aber nicht immer verhindern, dass diese Personen etwas aus seinem Nachlass erhalten. Grund: Der sogenannte Pflichtteil garantiert den nächsten Angehörigen des Erblassers also eine Mindestteilhabe an seinem Nachlass. Quelle: dpa
EnterbungHat er Erblasser einen oder mehrere gesetzliche Erben von der Erbfolge ausgeschlossen oder sie bei der Verteilung des Nachlasses nicht erwähnt, spricht man von Enterbung. Handelt es sich bei den fraglichen Personen um enge Angehörige, können sie oft zumindest seinen Pflichtteil verlangen. Quelle: obs

Man könnte also meinen, dass in einer solchen Gesellschaft hohe Steuern auf Vermögen und Erbschaften weitgehend akzeptiert werden. Aber das ist nicht der Fall. In Deutschland sind nicht nur die Erbschaftssteuersätze gering, sondern offenbar auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Steuer generell.

Dabei steht Deutschland schon jetzt ausgesprochen erbschafts- und vermögensfreundlich da. Nur etwa jeder 40. Euro, den der deutsche Fiskus einnimmt, stammt aus einer Steuer auf Vermögen, im amerikanischen Staatsäckel ist es jeder zehnte Dollar. Selbst kleinste Nachlässe werden in den USA mit 18 Prozent, solche mit einem Wert von mehr als einer Million Dollar abzüglich eines Freibetrages mit 40 Prozent besteuert. Auch in den meisten europäischen Staaten ist die Erbschaftssteuer deutlich höher als in Deutschland.

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