Erdogan kontert Vorwürfe Deutschland muss "sich zusammenreißen"

Deutsche Unternehmen als Terrorunterstützer? Einem Bericht zufolge stehen fast 700 Firmen auf einer schwarzen Liste der Türkei. Präsident Erdogan widerspricht und schlägt scharfe Töne an.

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Recep Tayyip Erdogan in Istanbul Quelle: AP

Die türkische Regierung hat offenbar deutlich mehr deutsche Unternehmen im Visier als bisher bekannt. Insgesamt stehen rund 700 deutsche Unternehmen unter dem Verdacht der Terrorunterstützung, berichtet das "Handelsblatt" mit Verweis auf deutsche Regierungs- und Sicherheitskreise.

Für Aufsehen hatte ein Bericht der Wochenzeitung "Die Zeit" gesorgt, dass die Türkei dem Bundeskriminalamt eine Liste mit 68 Unternehmen und Einzelpersonen - darunter Daimler und BASF - überreicht haben soll, denen sie Verbindungen zu dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen vorwirft.

Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci bestritt in einem am Donnerstagabend geführten Reuters-Interview die Existenz einer schwarzen Liste. Er versuchte in der sich verschärfenden Krise, deutsche Firmen zu beruhigen: "Alle deutschen Investitionen in der Türkei sind zu 100 Prozent abgesichert durch die türkische Regierung, den Staat und das Gesetz." Auch Präsident Recep Tayyip Erdogan wies die Vorwürfe zurück und schlug scharfe Töne an: Deutschland müsse "sich zusammenreißen".

Die Bundesregierung behält sich aber weitere Schritte vor. "Wir werden zu jedem Zeitpunkt prüfen, ob weitere Beschlüsse notwendig sind. Und die werden wir dann gegebenenfalls auch öffentlich verkünden", sagte Kanzleramtsminister Peter Altmaier im ZDF. Dagegen hält Zeybekci die Krise mit Deutschland für "vorübergehend".

Nach Festnahmen von deutschen Bürgern in der Türkei und Drohungen gegen deutsche Unternehmen richtet die Bundesregierung ihre Türkei-Politik neu aus. Es soll geprüft werden, ob die Exportbürgschaften für deutsche Lieferungen in die Türkei ausgesetzt werden. Neue Rüstungsprojekte mit dem Land wurden bereits auf den Prüfstand gestellt. Ausfuhrgenehmigungen werden künftig wohl nicht mehr erteilt. Bereits entschiedene Projekte dürften zunächst nicht betroffen sein.

Bislang kein Rückzug deutscher Firmen

Rückzugabsichten deutscher Unternehmen aus der Türkei sind bislang nicht bekannt. Die Handelskonzerne Metro und Ceconomy wollen dort weiter investieren. Auch Bosch plant keine Änderungen. "Wir sind seit 1910 in der Türkei aktiv und wollen auch langfristig dort bleiben", erklärte der Autozulieferer. Die Entwicklungen würden allerdings aufmerksam beobachtet. Die Türen für ausländische Investitionen in der Türkei stünden weit offen - auch für deutsche, sagte Erdogan.

Medienberichten zufolge wirft die Türkei jedoch den auf ihrer Liste geführten Unternehmen - darunter Daimler und BASF - vor, Verbindungen zu dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen zu haben. "Das sind fake news", sagte Zeybekci Reuters.

In den Sicherheitskreisen hieß es, die Angaben und die Vorwürfe seien "wenig konkret". Die Voraussetzungen für polizeiliche Ermittlungen seien daher nicht gegeben. Die Türkei sieht Gülen als Drahtzieher hinter dem gescheiterten Putsch vom Juli 2016. In dem Zusammenhang wurden mehr als 50.000 Menschen verhaftet.

Nach der Festnahme des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner verschärfte das Auswärtige Amt mitten in den Sommerferien die Reisehinweise für die Türkei. Der Fernsehsender ntv stoppte eine Werbekampagne für das Land. "Angesichts der aktuellen Geschehnisse stießen die Clips zu Recht auf Unverständnis und Ärger bei Zuschauern und Lesern", begründete der Sender seine Entscheidung.

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hält die Türkei aber für genauso sicher wie Deutschland. Präsident Erdogan nannte die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes grundlos und bösartig. Die Justiz in seinem Land sei noch unabhängiger als die der Bundesrepublik.

Finanzminister Wolfgang Schäuble verglich in der "Bild"-Zeitung die Türkei mit der DDR: "Die Türkei verhaftet inzwischen willkürlich und hält konsularische Mindeststandards nicht ein. Das erinnert mich daran, wie es früher in der DDR war."

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