„Es sind Merkels Tote“ Empörung über AfD-Tweets zu Berlin

Während viele ihr Mitgefühl und ihre Trauer mit den Angehörigen der Opfer des mutmaßlichen Anschlags in Berlin zum Ausdruck bringen, instrumentalisiert die AfD die Tat für politische Zwecke. Und löst Empörung aus.

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Die AfD nutzte die ersten Meldungen über einen möglichen Anschlag für ihre Zwecke. Quelle: dpa

Kaum hat sich die Nachricht von einem möglichen Anschlag mit einem Lastwagen auf einen Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin in den sozialen Netzwerken verbreitet, ist schon der erste AfD-Politiker dabei, das Geschehene zu bewerten und Schuldige auszumachen. „Wann schlägt der deutsche Rechtsstaat zurück? Wann hört diese verfluchte Heuchelei endlich auf? Es sind Merkels Tote!“, schreibt der AfD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell, bei Twitter.

Dabei weiß zu diesem Zeitpunkt selbst die Berliner Polizei nichts Konkretes. Sie appelliert via Twitter an die Bürger: „Bitte helfen Sie uns. Bleiben Sie zu Hause & verbreiten Sie keine Gerüchte.“ Beim Lebensgefährten von AfD-Bundeschefin Frauke Petry scheint dieser Appell aber wohl nicht angekommen zu sein.

Pretzell setzt weitere Tweets ab. In einem kommentiert er die Bitte des ZDF, Spekulationen zu vermeiden, da es niemandem helfe, „wilde Gerüchte“ zu verbreiten, indem er den Hashtag „#lokales Ereignis“ postet. Eine Anspielung auf den Mord an einer Studentin in Freiburg, über den die ARD-Tagesschau zunächst nicht berichtet hatte. Und Pretzell nennt es in einer weiteren Kommentierung „pervers“, dass die ausländische Presse von der Berliner Todesfahrt längst von „Absicht“ berichte, „während man in Deutschland auf einen Unfall hofft“.

Der SPD-Bundesvize Ralf Stegner nannte Pretzells Tweets „unfassbar und ekelhaft“. „Statt Respekt vor den Opfern schon wieder ekelhafte politische Ausweidung dieser Tragödie durch die AFD und andere rechte Scharfmacher“, schrieb Stegner bei Twitter.

Die Empörung kommt nicht von ungefähr. Zumal die Berliner Polizei auch Stunden nach dem Vorfall keine klaren Hinweise hat, ob es sich bei der Todesfahrt des Lkw in mit neun Toten und zahlreichen Verletzten um einen Unfall oder einen Anschlag handelt. „Wir haben bisher keine eindeutigen Hinweise, weder in die eine noch in die andere Richtung“, sagte ein Polizeisprecher am Montagabend am Ort des Geschehens. Unter den neun Toten sei der Beifahrer des Lkw, der an den Unfallfolgen gestorben sei.

Der Sattelschlepper mit polnischem Kennzeichen fuhr laut Polizei gegen 20 Uhr auf den Gehweg am Breitscheidplatz und durchquerte das Gelände dann mit hoher Geschwindigkeit auf einer Strecke von bis zu 80 Metern. Ein Tatverdächtiger wurde festgenommen. Dabei könnte es sich um den Fahrer handeln, der zunächst flüchtig war.

Vor Ort übernahm das Berliner Landeskriminalamt die Ermittlungen. Nach Angaben von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) schaltete sich auch der Generalbundesanwalt in den Fall ein. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bot dem Land Berlin jegliche Unterstützung durch die Bundespolizei an. Auch er vermied eine vorzeitige Bewertung. Der Minister sprach zunächst von einem „Vorfall“ und benutzte nicht die Formulierung „Anschlag“.

Von Mitgefühl mit den Opfern schreibt AfD-Mann Pretzell indes nichts. Anders, als etwa der Berliner Landesverband. Dessen Innenpolitische Sprecher Karsten Woldeit teilte am Abend mit: „Wir trauen mit den Opfern und ihren Angehörigen. Ein solches Ereignis so kurz vor Weihnachten macht fassungslos und weckt böse Erinnerungen.“ Und Woldeit betont: „Alle weiteren Spekulationen über das Wer und Warum verbieten sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt.“

Auch die Bundespartei kommentiert das Geschehene zurückhaltend. Auf ihrer Facebook-Seite heißt es: „Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind in diesen Stunden bei den Opfern und ihren Angehörigen.“

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