Der Befund der Bertelsmann-Studie bedeutet für die Parteien einen Anlass, das Migrations-Thema stärker in den Fokus der politischen Auseinandersetzung zu rücken – zumal die Menschen, die die Globalisierung als eine Bedrohung wahrnehmen, darin „eine der wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft“ sähen. Sie hätten weniger Kontakt mit Ausländern in ihrem Alltag und äußerten häufiger ausländerfeindliche Gefühle, heißt es in der Studie. Zudem seien diese Menschen skeptischer gegenüber der Europäischen Union und der Politik im Allgemeinen.
Die Experten der Bertelsmann-Stiftung leiten daraus einen klaren Auftrag an die Politik ab. „Die Auseinandersetzung mit diesen Ängsten gehört zu den zentralen politischen Herausforderungen der kommenden Jahre. Nur wer sie aufzulösen weiß, wird Wähler von den populistischen Parteien zurückgewinnen können.“ Zwar habe diese Erkenntnis schon begonnen, sich bei den europäischen Parteien durchzusetzen. Ob allerdings die Strategie, mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich dem Thema stellt, die richtige ist, lässt sich derzeit noch nicht mit Gewissheit sagen.
Die Sprüche der AfD
Ob Flüchtlingspolitik oder Fußball - mit markigen Sprüchen sorgen führende AfD-Politiker immer wieder für Kopfschütteln und Empörung, wie jetzt die stellvertretende Bundesvorsitzende Beatrix von Storch. Einige Zitate.
Quelle: dpa
„Das ist ungefähr so, als würden Sie mit Plastikeimern einen Tsunami stoppen wollen.“ (Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen am 24. Oktober 2015 bei einem Landesparteitag in Baden-Württemberg über die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bewältigung der Flüchtlingskrise)
„Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp.“ (Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke am 21. November 2015 in einem Vortrag über Asylbewerber aus Afrika)
„Wer das HALT an unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer. Und gegen Angriffe müssen wir uns verteidigen. (...) Es gibt keinen Grund, mit Gewalt unsere Grenze zu überqueren.“ (Die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch Ende Januar 2016 auf ihrer Facebook-Seite über Flüchtlinge)
„Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt.“ (Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry in einem Interview des „Mannheimer Morgen“ vom 30. Januar 2016. Angesichts des Flüchtlingszustroms forderte sie im Notfall auch den Einsatz von Schusswaffen.)
„Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen.“ (Gauland am 24. Februar 2016 im Magazin der Wochenzeitung „Die Zeit“ über Flüchtlinge)
„Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ (Gauland in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 29. Mai 2016 über Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng)
„Eine deutsche oder eine englische Fußballnationalmannschaft sind schon lange nicht mehr deutsch oder englisch im klassischen Sinne.“ (Der AfD-Bundesvize Alexander Gauland am 3. Juni 2016 im „Spiegel“)
Die Autoren der Bertelsmann-Studie sind jedenfalls nicht restlos überzeugt, ob die „Methode Merkel“, bei der politische Veränderungen Vorrang hätten vor Veränderungen der Rhetorik, am Ende tatsächlich imstande ist, bei den Bürgern eine Veränderung in ihrer Parteienpräferenz herbeizuführen. „Diese Methode birgt (…) das Risiko, dass sie nicht die politisch befriedende Wirkung entfaltet, die sie beabsichtigt“, heißt es in der Expertise. Denn: „Gerade in Zeiten des allgemeinen kommunikativen Rauschens bedarf es einer pointierten kommunikativen Geste, um durchzudringen und sorgenvolle Gemüter zu beruhigen.“
Die Experten erinnern daran, dass es Merkel schon einmal gelang, mit einer Ansprache an das Volk Besorgnisse zu zerstreuen: Als die Bundeskanzlerin gemeinsam mit dem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zu einem frühen Zeitpunkt der Finanzkrise den Bürgern versicherte, dass ihre Einlagen sicher seien, habe sie die Botschaft vermittelt: „Wir kümmern uns. Alles unter Kontrolle.“ In der aktuellen Migrations-Debatte sei es allerdings noch nicht zu einer solchen Geste gekommen. „Und so hält sich beharrlich und in seltsamem Widerspruch zu den teils drastischen Maßnahmen der diffuse Eindruck, es würde nichts getan. Die Politik sei überfordert.“