Die Alternative für Deutschland (AfD) will sich im Europawahlkampf mit harscher EU-Kritik gezielt von den anderen Parteien abgrenzen und um Protestwähler werben. Bei der Fortsetzung des AfD-Bundesparteitags am Samstag in Berlin hielten sich Kandidaten für die Europaliste nicht mit deutlichen Parolen zurück. Eine Parteisprecherin bestätigte der Nachrichtenagentur dpa einen Bericht der Zeitung „Die Welt“, nach dem die AfD unter anderem um Protestwähler werben will.
Die AfD hatte bereits vor einer Woche in Aschaffenburg ihren Sprecher Bernd Lucke und Ex-BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel zu ihren Spitzenkandidaten gekürt. Die Partei war jedoch wegen der vielen Kandidaten nicht mit der Besetzung ihrer Liste fertig geworden. In Berlin wählten die rund 230 Delegierten nun den Bielefelder Anwalt Marcus Pretzell auf Platz sieben. Er war in Aschaffenburg gegen Henkel angetreten. Auf Platz acht wurde Marc Jongen gewählt, der sich als intellektueller Vorkämpfer für neuen Konservatismus hervorgetan hatte.
Bei der Wahl des Europaparlaments am 25. Mai rechnet sich die AfD gute Chancen aus, weil dabei eine Drei-Prozent-Hürde gilt. Den Einzug in den Bundestag hatte die Partei im September mit 4,7 Prozent der Stimmen knapp verfehlt. Aktuelle Umfragen sehen sie bei 4 bis 5 Prozent. Das Wahlprogramm für die Europawahl soll erst auf einem weiteren Parteitag am 22. und 23. März in Erfurt beschlossen werden. „Der produktive Teil in Europa wird ausgequetscht“, sagte der Bewerber Hugh Bronson. Ein anderer, Thomas de Jesus Fernandes, kritisierte EU-Bürokraten, „die selbst noch nie etwas Produktives gemacht haben“. Die Kandidatin Kerstin Burkhardt aus Bayern warb damit, das Anliegen der AfD auch vorsingen zu können - und gab eine Kostprobe mit der Zeile „Europe isn't a country - Europe is a continent“ (Europa ist kein Land - Europa ist ein Kontinent).
Der Wirtschaftsprofessor Michael Wüst warf der politischen Konkurrenz vor, großteils im Kern sozialistisch zu sein. Die Ärztin Christiane Gleissner aus Hessen berichtete, wie sie jahrelang zornig wegen der politischen Zustände über der Frühstückszeitung gesessen habe, bis sie sich in der AfD engagierte. Kandidat Menno Aden sagte: „Die Türkei gehört nicht in die EU.“ Dies gelte wegen kultureller Unterschiede. Dass die EU-Kritik nicht in Forderungen nach einem Austritt aus der Union münden sollte, betonten Redner ebenfalls.
Nach einem internen Strategiepapier will die AfD gezielt um Euro-Skeptiker, Personen mit liberal-konservativer Wertehaltung, Protestwähler, Nichtwähler und Wähler in Wahlbezirken mit geringem Durchschnittseinkommen werben. Auch Polizisten und „gut integrierte Ausländer“ sollen angesprochen werden.