Exportüberschuss

Deutschland steht zu Recht am Pranger

Deutschlands hoher Überschuss in der Leistungsbilanz deckt die strukturellen Schwächen der Wirtschaft auf. Das Land ist alt und spart zu viel - es muss viel getan werden, um die Zukunftsfähigkeit zu sichern.

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Quelle: dpa

In regelmäßigen Abständen wird die Höhe des deutschen Leistungsbilanzüberschusses kritisiert. Tatsächlich weist das Abbild der deutschen Handelsströme im internationalen Vergleich einen ungewöhnlich hohen Überschuss aus. Dieser Überschuss ist ein Zeichen für eine leistungsfähige Exportwirtschaft, aber auch ein Zeichen dafür, dass die Binnenwirtschaft im Vergleich zum Export zu schwach ist.

Die Folge des hohen Leistungsbilanzüberschusses ist eine hohe Ersparnis. Der Konsum und die Investitionen im Inland sind zu gering. Ein großer Teil der Ersparnis wird darüber hinaus im Ausland investiert. Auf diese Weise deckt die sehr positive Entwicklung der Leistungsbilanz die strukturellen Schwächen der deutschen Wirtschaft auf. Es wird hierzulande zu wenig für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft getan.

Das Rezept gegen den hohen Leistungsbilanzüberschuss ist auch relativ klar: Höherer privater Konsum, höhere Investitionen und ein besseres Investitionsklima. Der zurzeit hohe Überschuss der Leistungsbilanz verschwindet in den nächsten Jahren von alleine, wenn die Zahl der Rentner deutlich zunimmt. Jedoch sollte man schon jetzt die Weichen stellen, damit Deutschland auch in Zukunft eine leistungsfähige Wirtschaftsstruktur aufweisen kann.

Stefan Bielmeier Quelle: Presse

Trotz der eher schleppenden internationalen Konjunktur läuft der deutsche Export auf recht hohen Touren: Nach einer etwas schwächeren Phase im zweiten Halbjahr 2015 haben sich die Ausfuhren in den ersten Monaten dieses Jahres wieder erholt und im März sogar ihr historisches Rekordhoch vom Juli vergangenen Jahres nur knapp verfehlt.

Gute Daten, viel Kritik

Doch die Freude über die gute Außenhandelsentwicklung ist leider nicht ganz ungetrübt. Denn es scheint: Je besser die Daten, desto mehr internationale Kritik rufen sie hervor. Im Zentrum der Diskussion stehen dabei die Überschüsse in der deutschen Handels- und Leistungsbilanz, die beide im vergangenen Jahr auf neue Rekordhöhen angestiegen sind. Den Deutschen wird häufig vorgeworfen, zu wenig zu konsumieren und zu investieren und stattdessen lieber zu sparen. Damit würden sie es insbesondere den europäischen Nachbarn unnötig schwer machen, mehr Waren nach Deutschland zu verkaufen und davon wirtschaftlich zu profitieren.

Was ist dran an der Kritik? Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss wird sich 2016 voraussichtlich auf rund acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) belaufen. Das ist im internationalen Vergleich tatsächlich eine sehr hohe Quote. Aktuell spielt eine Rolle, dass die Euroabwertung der vergangenen Jahre den Exporten Aufwind gibt und zusätzlich die gesunkenen Ölpreise den Importwert senken. Der Leistungsbilanzüberschuss gegenüber anderen Euroländern ist zwar seit 2013 ebenfalls wieder gestiegen, weil sich die Konjunktur im Euroraum allmählich erholt, er ist aber immer noch deutlich niedriger als vor der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise.

Es gibt für den hohen deutschen Leistungsbilanzüberschuss keine einfache Erklärung, sondern ein ganzes Bündel von Ursachen. Neben vorübergehenden Einflüssen wie Wechselkurseffekten und niedrigen Rohstoffpreisen spielen auch fundamentalere Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel: der demografische Wandel, das sich ausweitende Produktivitätsgefälle zwischen dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor sowie eine starke Zunahme des Nettoauslandsvermögens und der damit einhergehenden Einnahmen. Der große Überschuss ist teilweise auch auf die Umkehr der Ersparnis-/ Investitionsbilanz im Unternehmens- und im Staatssektor zurückzuführen. Denn sowohl Staat als auch Unternehmen sind in Deutschland heute Netto-Sparer, das sah vor gut zehn Jahren noch anders aus.

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