Extremismus Von der Leyen kritisiert „falschen Korpsgeist” der Truppe

Nach der Festnahme eine terrorverdächtigen Offiziers geht Verteidigungsministerin von der Leyen hart mit der Bundeswehr ins Gericht: „Es wird weggeschaut, das gärt dann, bis es zum Eklat kommt.”

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„Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen.” Quelle: Reuters

Berlin Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen nimmt nach der Festnahme des terrorverdächtigen Offiziers Franco A. die eigene Truppe ins Visier. „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen”, sagte die CDU-Politikerin dem ZDF. Den Vorgesetzten des Mannes warf sie vor, Hinweisen auf seine rechtsradikale Gesinnung nicht nachgegangen zu sein. Bundesinnenminister Thomas de Maizière lässt außerdem prüfen, wie sich der 28-jährige Oberleutnant als syrischer Flüchtling ausgeben konnte. Dem „Spiegel” zufolge stießen die Ermittler bei ihm offenbar auf eine Liste möglicher Ziele für Angriffe gegen linke Organisationen und Politiker.

„Wir klären rigoros auf, was geschehen ist, und ziehen wo nötig harte Konsequenzen”, sagte von der Leyen bei einem CDU-Bezirksparteitag in Niedersachsen. Die Polizei hatte den Mann vergangene Woche im bayerischen Hammelburg festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, Ende Januar auf dem Wiener Flughafen Schwechat eine geladene Pistole in einem Putzschacht in einer Toilette versteckt zu haben. Ein konkretes Anschlagsziel ist der Staatsanwaltschaft Frankfurt zufolge allerdings nicht bekannt.

„Unterm Strich habe ich immer die schlussendliche Gesamtverantwortung”, sagte von der Leyen am Sonntag dem ZDF. Zugleich richtete sie Vorwürfe gegen die Vorgesetzten des Offiziers: „Offensichtlich greifen die Mechanismen nicht, die solche Streitkräfte haben müssen, damit auch frühzeitig gemeldet und aufgeklärt wird.” So sei bekannt gewesen, dass der Mann eine Masterarbeit an einer französischen Eliteschule geschrieben habe, die völkisches Gedankengut enthalten habe. Der Vorfall sei aber weder in seiner Personalakte noch beim Militärischen Abschirmdienst (MAD) gelandet. Wenn die Vorgesetzten nicht ihre Verantwortung wahrnähmen, „dann werden Dinge aus falsch verstandenem Korpsgeist schöngeredet”, sagte sie: „Es wird weggeschaut, das gärt dann, bis es zum Eklat kommt.”

Der aus Offenbach stammende Offizier hatte sich als syrischer Flüchtling ausgegeben, unter falschem Namen Asyl beantragt und seit Januar 2016 monatliche Zahlungen erhalten. Von der Leyen sagte, die Ermittlungen hätten noch nicht ergeben, was er genau geplant habe und ob er ein Netzwerk gehabt habe. In die mögliche Anschlagsplanung war der Staatsanwaltschaft zufolge außerdem ein 24-jähriger Student aus Offenbach einbezogen.

De Maiziere will klären lassen, wie der Offizier durch das Asylverfahren kommen konnte: Dazu werde eine Untersuchungsgruppe im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingerichtet. Andere Entscheidungen, an denen die Dolmetscher und Anhörer mitgewirkt hätten, würden untersucht.

Der Vize-SPD-Chef Ralf Stegner machte von der Leyen für die jüngsten Skandale bei der Bundeswehr verantwortlich. „Wer nach drei Jahren im Amt über ein breites Führungsversagen in der Bundeswehr klagt, der klagt sich selbst an”, sagte Stegner dem „Tagesspiegel” (Dienstagsausgabe): „Das Führungsversagen bei der Bundeswehr beginnt bei der Ministerin selbst.” Der Vorsitzende des für Geheimdienstkontrolle zuständigen Bundestags-Gremiums, Clemens Binninger (CDU) nahm das Verteidigungsministerium und den MAD in Schutz. Der MAD könne nur tätig werden, wenn er selbst informiert werde. Das sei in diesem Fall aber nicht geschehen.

Der „Spiegel” berichtete unter Berufung auf ungenannte Sicherheitskreise, dass bei Hausdurchsuchungen am Mittwoch eine Liste gefunden worden sei, die nun ausgewertet werde. Ob es sich tatsächlich um eine Zielliste handele oder Franco A. aus anderen Gründen Organisationen aufgeführt habe, die sich gegen rechte Gewalt und extremistisches Gedankengut einsetzen, sei noch nicht ermittelt. Allerdings informierten die Behörden Personen und Organisationen auf der gefundenen Liste.

Darunter war nach eigenen Angaben auch die Berliner Linken-Politikerin Anne Helm. Sie sagte der „RBB Abendschau”, sie sei vom Landeskriminalamt informiert worden: „Ich versuche, mich nicht einschüchtern zu lassen, aber das ist natürlich eine Extremsituation.” Dem „Spiegel” zufolge meldete sich das LKA auch bei der Organisation „Zentrum für politische Schönheit”, die mit Aktionen nicht nur gegen Extremismus, sondern auch zum Beispiel gegen Rüstungsexporte öffentlich mobil macht.

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