Exzesse der Kümmerpolitik Spielen mit Staatsknete

Der Zustrom der Flüchtlinge gibt dem Kümmer-Wahn in den Ministerien neue Nahrung. Mündige Bürger und freie Wirtschaftsakteure wird man durch solchen Paternalismus kaum hervorbringen.

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Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, bei einem Besuch in einer neuen Kindertagesstätte. Quelle: dpa Picture-Alliance

Vor wenigen Tagen kam mal wieder eine dieser Pressemitteilungen aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Staatssekretär Ralf Kleindiek lobt darin das Projekt „Willkommenskultur durch Spiel –Spielmobile an Flüchtlingsunterkünften“. Im Rahmen dessen fahren 350 „rollende Spielplätze“ nun neben allen möglichen anderen öffentlichen Plätzen auch Flüchtlingsunterkünfte an. Das Ministerium gibt dazu bekannt: „Die Kinder … hatten sichtlich Spaß am Spielen“.

Klar. Spielende Kinder sind wunderbar. Auch dem Ziel, die jungen Einwanderer „mit den Lebensverhältnissen in Deutschland vertraut“ zu machen, kann man wohl kaum widersprechen. Selbstverständlich sollen sich die Kinder aus der Notunterkunft in der Berliner Smetanastraße möglichst wohlfühlen – wie alle anderen Kinder auch. Selbstverständlich ist es schön, wenn sie beim Spielen „mit Kindern aus der Nachbarschaft zusammen“ kommen. Möglicherweise fördert das sogar wirklich den Spracherwerb, wie Kleindiek in der Pressemitteilung behauptet.   

Die großen Wohlfahrtsverbände
Mit Kerzen wurde das Wort Caritas geschrieben Quelle: obs
FSJler zeigen das Zeichen der Diakonie Quelle: dpa
Einsatzkräfte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) während einer Katastrophenübung Quelle: dpa
Ein Altenheim Quelle: dpa
Obdachlose stehen für eine Portion Essen an Quelle: REUTERS
Angehende Rabbiner in einem jüdischen Bildungszentrum Quelle: dpa

Aber dass ausgerechnet der Staat und seine höchsten Organe fürs Spielen zuständig sein sollen, das ist ganz und gar nicht selbstverständlich. Haben nicht alle Kindergenerationen mehr oder weniger glücklich ohne staatliche Spielmobile gespielt? Dem Autor dieser Zeilen jedenfalls hat in seiner Kindheit ein wildes Wiesengrundstück mit wahlweise Fußball oder ein paar Schaufeln und Brettern zum Spielglück genügt. Ein Spielmobil und erst recht einen Staatssekretär hat er dabei nie vermisst.

Nun gut, das ganze Projekt der „Bundesarbeitsgemeinschaft der mobilen spielkulturellen Projekte“ kostet den Steuerzahler von 2016 bis 2018 rund drei Millionen Euro. Es wird Wolfgang Schäuble und dem Bund der Steuerzahler keine schlaflosen Nächte bereiten. Aber wer auf den Presseverteilern des BMFSFJ und anderer Ministerien und Behörden steht, erfährt alltäglich, dass es Hunderte, vielleicht Tausende solcher Projekte gibt. Die Ministerien brüsten sich mit den vielen Menschen, um die sie sich kümmern.

Zum Beispiel lässt sich das BMFSFJ auch die Unterstützung der „Identitätsbildung“ junger Fußballfans eine halbe Million Euro jährlich kosten. Die entsprechenden Projekte „wollen ihnen dabei helfen, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen, für ihre Interessen eintreten zu lernen, gegen Diskriminierungen und für demokratische Werte und Fair Play einzustehen.“

Leviathan wird Milchkuh - und Clown

Wir leben in einem Staat, dessen Regierende aus dem gewaltigen Leviathan, der für Frieden sorgen soll, nicht nur eine Milchkuh, sondern auch einen Clown gemacht haben.

Die Bundesregierung hilft spielen! Vielleicht sollte man sich einmal klarmachen, wie die staatlichen Kümmerexzesse auf Kosten der Steuerzahler möglicherweise auf die Hunderttausenden Menschen wirken, die hier ankommen.

von Konrad Fischer, Marc Etzold, Max Haerder

Sie kommen aus der Unfreiheit vorderasiatischer Gesellschaften. Man erhofft sich von Ihnen, dass sie sich im hiesigen Arbeitsleben, in einem marktwirtschaftlichen System mit vollem Eifer einbringen, ihm neue Vitalität einflößen, die den Autochthonen abhanden kommt. Ein „neues Wirtschaftswunder“ (Dieter Zetsche) gar. Doch dieses System lebt von der unternehmenden Eigeninitiative, von der Kreativität der Menschen. Also davon, dass Menschen erkennen, dass das Geheimnis des Glücks die Freiheit, und das Geheimnis der Freiheit der Mut ist.

Doch das erste was sie hier erleben, ist, dass man sich um sie kümmert. Dass Mut nicht notwendig und Freiheit nicht vorgesehen ist. Ihr wichtigster Kontakt sind „Helfer“. In vielen Unterkünften müssen sie nicht einmal die Toiletten selbst putzen. Und nicht einmal ihren Kindern steht noch das Geheimnis des Glücks und der Freiheit offen: Nein, der aufnehmende Staat zeigt den Kindern noch, wie man richtig spielt.

Können wir wollen, dass die Eingewanderten zu Objekten von Programmen der Ministerialapparate und Sozialbehörden „gegen Armut und Ausgrenzung“ werden? Wollen wir, dass ihr erster Eindruck von Deutschland der ist, dass man hier von staatlichen Nannys an die Hand genommen wird, die dafür sorgen, dass man keinen Schritt ohne die Hilfe eines verbeamteten Vormunds tun muss? Wollen wir, dass sie den harten, herrschenden Paternalismus ihrer Herkunftsländer gegen einen hätschelnden Vater Staat in der neuen Heimat eintauschen?

Das Ziel der Kümmerpolitik der Schwesigs, Nahles in Berlin und der Hilfseinrichtungen allerorten ist stets – zumindest gibt man das vor – die Integration. Oder allgemeiner: eine bessere, gerechtere Gesellschaft.

Doch das unbeabsichtigte Ergebnis der allumfassenden Kümmerpolitik dürfte das Gegenteil geglückter Integration sein. Und zwar nicht nur für die Neuankömmlinge, sondern auch für einheimische Empfänger. Denn für eine akute Nothilfe sind Menschen in der Regel zwar dankbar. Aber dauerhaft von fremder Hilfe abhängige Menschen sind in der Regel nicht besonders dankbar, sondern eher frustriert bis wütend.

Eigeninteresse der Regierenden

Der Journalist Walter Wüllenweber hat 2012 ein erstaunliches Buch geschrieben. Es heißt  „Die Asozialen“ und zeigt auf Basis gründlicher Recherchen und sehr anschaulich, dass die immer zahlreicheren Hilfsprogramme nicht funktionieren. Weil sie auf einem falschen, unrealistischen, sozialdemokratischen Menschenbild basieren: der Vorstellung des aufstiegswilligen, mündigen Bürgers, der Hilfe nur solange beansprucht, bis er auf eigenen Füßen steht. Doch tatsächlich verleitet das Überangebot an Hilfe zum Gegenteil: der Ausprägung einer Anspruchshaltung und des dauerhaften Beleidigtseins. Ein Objekt der Hilfsbereitschaft anderer Menschen zu sein, kratzt nämlich an der Selbstachtung. Umso größer wird dadurch das Verlangen, sich „Respekt“ – in allen Hartz-IV-Hochburgen ein Schlüsselbegriff – mit anderen als friedlichen Mitteln zu verschaffen.

Natürlich wollen Staatssekretär Kleindiek, seine Ministerin Manuela Schwesig und all die Anbieter von Spielmobilen und anderen Produkten der auf Wachstumskurs segelnden Betreuungsindustrie nur das Beste für ihre mehr oder weniger hilfsbedürftigen Kunden. Man tut das alles schließlich „für die Menschen“.

Doch mindestens ebenso wichtig wie deren Bedürfnisse dürften ihnen die eigenen sein. Darum ist nicht davon auszugehen, dass die Politiker, Ministerialbeamten oder die Helfer vor Ort irgendwann von selbst zu dem Schluss kommen, dass keine 88 neuen „Projekte gegen Armut und Ausgrenzung“ mehr nötig seien (Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 22.02.2016). Eine parlamentarische Staatssekretärin wie Gabriele Lösekrug-Möller aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales würde sich schließlich ihrer eigenen politischen Bedeutung berauben. Rund ein Drittel der Bundestagsabgeordneten und viele ehemalige, so Wüllenweber, haben Posten oder Funktionen in der Betreuungsindustrie. Gegen diese Lobby kommt man schwer an.

Wüllenweber ist am Ende seines Buches ratlos, weil er keinen Ausweg aufzeigen kann. Letztlich gibt es wohl doch einen: Diejenigen, die die Rechnung bezahlen, müssen diejenigen, die ihr Geld ausgeben, zwingen, es bleiben zu lassen. Die Kontrolle über die öffentlichen Ausgaben stand am Anfang der Demokratie und des freiheitlich verfassten Staates. Wird Zeit, dass man sich daran erinnert.

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