EZB und Euro-Krise Droht den Griechen der Bank-Run?

Die Entscheidung der EZB, den Druck auf die neue griechische Regierung massiv zu erhöhen, hat ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Die Athener Regierung sieht den Beschluss gelassen. Ökonomen schlagen Alarm.

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Die härtere Gangart der EZB könnte sich direkt auf die griechischen Sparer auswirken. Quelle: AFP

Berlin Die härtere Gangart der Europäischen Zentralbank (EZB) gegenüber Griechenland könnte nach Einschätzung des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.

Die EZB hatte überraschend den Zugang der griechischen Banken zu frischem Zentralbankgeld erschwert. Sie hob die Sonderregelungen für den Einsatz griechischer Staatsanleihen als Sicherheiten auf. Die EZB begründete dies damit, dass derzeit nicht mehr mit einem erfolgreichen Abschluss der Überprüfung des laufenden Reformprogramms gerechnet werden könne.

Fratzscher sagte dazu dem Handelsblatt (Online-Ausgabe): „Wie zu erwarten war, so wird versucht die EZB politisch zu instrumentalisieren.“ Kurzfristig könnten die Notfall-Liquiditätshilfen (Ela) die griechischen Banken zwar sicherlich stützen. „Aber dies ist ein gefährliches Spiel, denn Bürger und Investoren könnten das Vertrauen in die griechischen Banken verlieren und ihre Einlagen abziehen“, warnte der DIW-Chef. „Ein solcher Bank-Run würde Griechenland in eine noch tiefere Krise stürzen.“

Zudem werde die EZB auch bald keine Notfall-Liquiditätshilfe mehr geben dürfen, denn ein Verlust der Kreditwürdigkeit der Sicherheiten bedeute, dass viele griechische Banken nicht illiquide, sondern insolvent seien. „Ich befürchte jedoch, dass die EZB dennoch gezwungen sein wird, den griechischen Banken und dem griechischen Staat – entgegen der Prinzipien der EZB – Nothilfe leisten zu müssen“, sagte Fratzscher. „Denn die Politik in Griechenland und in Europa zeigt keinen ausreichenden Willen, die Krise in Griechenland schnell und nachhaltig lösen zu wollen.“

Nach Einschätzung des Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, würde die EZB mit ihrer Nothilfe-Garantie für griechische Banken möglicherweise Beihilfe zur Konkursverschleppung leisten. „Sofern Griechenland ein Drittel der Stimmen des EZB-Rates auf seine Seite bringt, kann sich die griechische Notenbank im Rahmen von ELA so viel Geld drucken, wie sie will, und es anschließend für beliebige Zwecke an die Banken verleihen“, sagte Sinn dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Zypern habe sich auf diese Weise im Jahr 2012 „ein halbes Sozialprodukt gedruckt, um seine Banken zu retten und russischen Oligarchen, griechischen Anlegern, Investoren aus London  und vielen anderen die Gelegenheit zu geben, sich aus dem Staube zu machen“. Die EZB habe damals „die Konkursverschleppung aus der Druckerpresse damals ein Jahr lang akzeptiert, bevor die nötigen zwei Drittel des EZB-Rates für die Betätigung der Reißleine zusammen kamen“, fügte Sinn hinzu. „Ich bin gespannt, was dieses Mal passieren wird.“

Durch die EZB-Maßnahme erhält das Treffen des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis am heutigen Donnerstag mit seinem Kollegen Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin besondere Brisanz. Denn dass ab dem 11. Februar griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für EZB-Kredite genutzt werden können, ist ein schwerer Schlag für die griechischen Banken, die am Geldtropf der EZB hängen. Begründung der EZB: Es sei nicht sicher, dass die Überprüfung des griechischen Spar- und Reformprogramms erfolgreich abgeschlossen werde.


„Spätestens da sollte die EZB Bedenken haben“

Ein Rettungsanker bleibt den Banken aber: Die Währungshüter stellten klar, dass die Geldhäuser weiter auf Notkredite der griechischen Zentralbank zurückgreifen können. Diese sind jedoch höher verzinst als Geld von der EZB und damit teurer.

Aus Sicht des Mannheimer Wirtschaftsprofessors Hans-Peter Grüner ist aber die entscheidende Frage, ob die EZB es wirklich zulasse, dass die Bank of Greece weiter Notkredite auf Basis von Sicherheiten vergibt, zu denen auch griechische Staatsanleihen zählen. „Solange nationale Notkredite durch das Eigenkapital der jeweiligen nationalen Zentralbank gedeckt sind, wäre eine solche Kreditvergabe durchaus vertretbar“, sagte Grüner dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Spätestens ab da sollte die EZB aber ebenfalls Bedenken haben – es sei denn, sie verzichtet nach einer möglichen Staatsinsolvenz auf die Gewinnausschüttung an das jeweilige Land, um solche Notenbankverluste auszugleichen.“ Man könne deshalb für Griechenland nur hoffen, „dass die Regierung nicht ernsthaft vorhat, das Finanzsystem nun über längere Zeit über ELA am Leben zu erhalten“.

Grüner widersprach zugleich der Einschätzung des Athener Finanzministeriums, wonach die Entscheidung der Europäischen Zentralbank den Druck auf die Euro-Gruppe erhöhen würde, eine Lösung zu finden. Wenn die EZB auch noch die Notfall-Liquiditätshilfe ELA dichtmachen würde, dann könne die Euro-Gruppe zwar noch über die Bankenunion die griechischen Banken rekapitalisieren, um in Griechenland den Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern. „Ob sie das vor dem Hintergrund der Unsicherheit über die weiteren Pläne der neuen Regierung tun würde, ist aber schwer vorhersehbar“, sagte der Ökonom. Er habe immer mehr den Eindruck, dass der griechische Premier Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis „ihre Verhandlungsmacht falsch einschätzen“.

Unabhängig verteidigte Grüner das Vorgehen der Frankfurter Währungshüter. „Die Entscheidung der EZB keine griechischen Staatsanleihen als Sicherheit zu akzeptieren, kann mit den möglichen Verlusten der EZB aus solchen Papieren nur allzu gut begründet werden“, sagte er. Denn schließlich erkläre der griechische Finanzminister Varoufakis sein Land als insolvent.

Athen reagierte empört. Regierungssprecher Gavriil Sakellaridis sagte am Donnerstag im griechischen Fernsehen zum EZB-Beschluss: „Wir lassen uns nicht erpressen. Wir haben ein Mandat vom griechischen Volk erhalten.“ Er fügte hinzu, es gebe „keinen Grund zur Beunruhigung“. Dem Vernehmen nach befürchtet Athen mögliche Panik-Reaktionen. In einer Erklärung des Finanzministeriums wird zugleich betont, Athen werde seine Politik fortsetzen, das harte Sparprogramm zu beenden.


„Keine negativen Entwicklungen“

An den Finanzmärkten sorgte der EZB-Entschluss für große Verunsicherung. Der Eurokurs rutschte nach Bekanntgabe unter 1,14 US-Dollar. Mit der bis dahin guten Stimmung war es auch an den Aktienmärkten vorbei, die Wall Street drehte ins Minus, auch die Börse in Tokio gab nach. US-Staatsanleihen, die als besonders sichere Anlage gelten, erhielten merklichen Zulauf.

Das Athener Finanzministerium reagierte anders als der Regierungssprecher gelassen auf den EZB-Beschluss. In einer Mitteilung vom Donnerstagmorgen hieß es, die Entscheidung der EZB werde „keine negativen Entwicklungen“ auslösen. Mit der Maßnahme übe die EZB lediglich Druck aus, damit Athen und seine Partner sich bald einigen, wie es mit der griechischen Schuldenproblematik weitergehen soll. Das Bankensystem Griechenlands sei durchfinanziert und durch die Möglichkeit von Notfallkrediten (ELA) gesichert.

Wie die Agentur dpa aus Regierungskreisen erfuhr, hat der griechische Regierungschef Alexis Tsipras in der Nacht zum Donnerstag mit EZB-Chef Mario Draghi telefonisch gesprochen. Tsipras habe Draghi gesagt, Griechenland werde weiterhin nach einer Lösung des Problems mit den EU-Institutionen suchen. Das griechische Volk habe aber ihm bei den jüngsten Wahlen einen klaren Auftrag gegeben. Tsipras will das Sparprogramm beenden.

Der griechische Finanzminister Varoufakis war am Mittwoch bei seinem Werben für die neue Schulden- und Sparpolitik Athens auf Widerstand gestoßen. Nach einem Gespräch mit EZB-Chef Draghi verlautete aus Notenbankkreisen, die EZB lehne die bisherigen Vorschläge Athens im Kampf gegen dessen Schuldenlast ab.

Griechenlands neuer Regierung rennt die Zeit davon. Wenn Ende des Monats das EU-Hilfsprogramm ausläuft, können sich die Kassen des Landes und seiner Banken schnell leeren. Athen will das Sanierungsprogramm jedoch nicht verlängern. Die Eurogruppe wird vor diesem Hintergrund voraussichtlich am nächsten Mittwoch (11. Februar) zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammenkommen.

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