Fakten zu Köln Opfer, Täter und viele offene Fragen

Eine Woche nach den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen in Köln bringt ein internes Polizei-Protokoll mehr Licht ins Dunkel. Was wir wissen – und was nicht: Der Überblick.

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Dort Ort des Geschehens – knapp eine Woche nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in Köln. Quelle: dpa

Köln Ein internes Protokoll der Bundespolizei, das dem „Spiegel“ und der „Bild“-Zeitung vorliegt, sorgt für Furore: Es steht im krassen Widerspruch zu den Aussagen des Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers, wonach die Polizei „nicht überfordert“ gewesen sei. Ein Überblick zur Faktenlage:

Der Einsatz

Was wir wissen: Neues Licht in die Ereignisse der Silvesternacht bringt ein Protokoll des Einsatzleiters einer Hundertschaft der Bundespolizei, das dem „Spiegel“ und der „Bild“-Zeitung vorliegt. Darin beschreibt der Beamte einen „Spießrutenlauf“ durch eine alkoholisierte Männermasse, den Frauen über sich ergehen lassen mussten. Eine Identifizierung der Täter sei unmöglich gewesen, weil zu viel zur gleichen Zeit geschehen sei.

Beamte sollen sogar durch enge Menschenringe daran gehindert worden zu sein, zu Hilferufenden vorzudringen. Feuerwerkskörper und Flaschen wurde in die Menge gefeuert. Angesichts der chaotischen Lage rechneten die Beamten mit zahlreichen Verletzten und sogar Toten. Diese Eindrücke stehen in krassem Wiederspruch zu den Äußerungen des Kölner Polizeipräsidenten. Der hatte versichert: „Wir waren nicht überfordert“.

Was wir nicht wissen: Das Einsatzprotokoll ist offenbar ein internes Papier der Bundespolizei. Völlig unklar ist, wie die beiden Behörden Bundespolizei und NRW-Landespolizei zu diesen völlig unterschiedlichen Einschätzungen der Lage in der Silvesternacht kommen. Auch ist bislang unklar, wie die Kooperation der für den Bahnhof zuständige Bundespolizei und die für den Domvorplatz zuständige NRW-Landespolizei funktioniert hat. Ob bessere Absprachen zwischen Bundes- und Landesbehörden das Chaos hätte verringern können, bleibt ebenfalls zu klären.

Die Ermittlungen

Was wir wissen: Schon am zweiten Januar hat die Kölner Polizei eine neunköpfige Sonderermittlergruppe zusammengestellt. Diese wurde nach Polizeiangaben zunächst auf 30 Personen  aufgestockt und soll auf bis zu 80 Beamte anwachsen. Gegenüber Handelsblatt Online wies eine Polizeisprecherin den Vorwurf von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kurz nach den Vorfällen zurück, die Polizei warte lediglich auf Anzeigen. Die Ermittler seien derzeit unter anderem damit beschäftigt, Videomaterial zu sichten und Zeugen zu vernehmen. Details wollte die Sprecherin aus ermittlungstaktischen Gründen nicht nennen.

Was wir nicht wissen: Unklar ist, wie die Polizei dem Verdacht der „Organisierten Kriminalität“ nachgeht. Es gilt zu klären, ob sich die Männer zu den massenhaften sexuellen Übergriffen verabredeten. Die Sprecherin der Kölner Polizei wollte nicht sagen, ob die Ermittler dafür auch auf Telefonüberwachung setzten. Unsicher ist ebenfalls, ob die Ermittlungen tatsächlich zu Verurteilungen führen. Der Kölner Bezirkschef des Bundes der Kriminalbeamten, Rüdiger Thust, räumt den Ermittlungen nur geringe Aussichten auf Erfolg ein.


Bislang 16 Verdächtige ermittelt

Mehr Anzeigen, mehr Verdächtige: Auch zu Opfern und Tätern gibt es eine Woche nach den Übergriffen neue Erkenntnisse. Der zweite Teil zur Faktenlage:

Die Opfer

Was wir wissen: Nach derzeitigem Stand liegen der Kölner Polizei bislang 121 Anzeigen vor. Drei Viertel dieser Anzeigen haben auch sexuelle Übergriffe zum Gegenstand. In zwei Fällen gehen die Ermittler dem Verdacht einer  Vergewaltigung nach. Zwei Drittel der Anzeigen kommen von Betroffenen, die nicht in Köln wohnen, sondern zur Silvesterfeier die Domstadt  besuchten. In der Silvesternacht gingen bei der Kölner Polizei nur drei Notrufe in Verbindung mit den Übergriffen an der Domplatte ein.

Was wir nicht wissen: Angesicht der chaotischen Zustände in der Silvesternacht ist eine hohe Dunkelziffer wahrscheinlich. Auch der Kölner Polizeipräsident Albers rechnet damit, dass die Zahl der Anzeigen noch steigen werde. Er bat alle Betroffenen, sich zu melden und Video-Material zur Verfügung zu stellen.

Die Täter

Was wir wissen: Bislang haben die Behörden laut der Nachrichtenagentur dpa 16 Verdächtige ermittelt. Die meisten seien zwar noch nicht namentlich bekannt, aber auf Video-Aufnahmen klar erkennbar. Festnahmen gab es bislang jedoch nicht. Alle Zeugenaussagen und Polizeiberichte stimmen darin überein, dass die Täter und die über 1000 Männer auf der Domplatte, aus der die Tätergruppen kamen, aus dem nordafrikanischen oder arabischen Raum stammen.

Viele sollen aus dem Kölner Trickdieb-Milieu kommen. Dem „Spiegel“ zufolge zitiert der Polizeibericht einen Mann mit den Worten „Ich bin Syrer, ihr müsst mich freundlich behandeln“. Vor den Augen der Polizisten sollen zudem Aufenthaltstitel zerrissen worden sein.

Was wir nicht wissen: So lange es keine Festnahmen gibt, ist unklar, ob sich Flüchtlinge, etwa aus Syrien, tatsächlich unter den Tätern sind. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte davor gewarnt, pauschal ganze Bevölkerungsgruppen für diese Taten verantwortlich zu machen. Unklar ist außerdem, ob sich die Männer zu der Versammlung verabredeten, um so nach den Straftaten leichter untertauchen zu können. 

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