Fall Al-Bakr Scharfe Kritik an sächsischen Behörden

Vor einer Woche bringt sich Dschaber al-Bakr in seiner Zelle in Leipzig um. Nun startet die parlamentarische Aufarbeitung. Die SPD im Bundestag wirft den sächsischen Behörden grobe Fehler vor – die CDU hält dagegen.

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Klaus Bartl (Die Linke, l), Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsausschusses, und Mario Pecher (SPD), Vorsitzender des Innenausschusses, sind mit dem Fall Al-Bakr beschäftigt. Quelle: dpa

Berlin Eine Woche nach dem Suizid des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in einer Leipziger Gefängniszelle haben SPD-Experten den sächsischen Behörden schwere Versäumnisse vorgehalten. „Es hat Fehler und Pannen gegeben, die mich nach wie vor fassungslos machen“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka, am Mittwoch nach einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestages in Berlin. „Die alleinige Verantwortung für diese Fehler und Pannen liegen im Freistaat Sachsen.“

In dem Ausschuss waren zuvor unter anderen Generalbundesanwalt Peter Frank sowie Vertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der sächsischen Landesregierung gehört worden.

Der 22-jährige Al-Bakr hatte sich vergangenen Mittwoch zwei Tage nach seiner Festnahme erhängt. Bevor er sich das Leben nahm, war sein Zustand von der Justizvollzugsanstalt als nicht akut suizidgefährdet eingestuft worden. Bereits bei seiner Festnahme gab es Pannen. Nach einem missglückten Zugriff der Polizei in Chemnitz floh Al-Bakr trotz Großfahndung bis nach Leipzig. Dort wurde er von Landsleuten überwältigt und der Polizei übergeben. Die Ermittler gehen davon aus, dass er einen islamistischen Anschlag auf einen Berliner Flughafen plante.

„Die Verantwortung für den Tod von Dschaber al-Bakr liegt bei der Justiz in Sachsen“, sagte Lischkas Parteikollege Uli Grötsch am Rande der Innenausschuss-Sitzung. Den Vertretern Sachsens warf er eine mangelnde Einsicht bei der Fehlerbeurteilung vor. Die Arbeit des Verfassungsschutzes und des Bundeskriminalamtes bezeichnete er hingegen als einwandfrei. Auch den Generalbundesanwalt nahm er gegen Kritik in Schutz. Dieser habe im Ausschuss „sehr ausführlich und detailliert und für alle nachvollziehbar“ sein Handeln dargelegt.

Der Obmann der Unionsfraktion im Ausschuss, Armin Schuster, hingegen bemerkte, der Generalbundesanwalt hätte schon vor dem 9. Oktober die besondere Bedeutung des Falls Al-Bakr sehen müssen. „Es war schon absehbar, dass es sich um einen Anschlag mit einer Sprengstoffweste handeln könnte.“ Schuster betonte, die sächsischen Behörden seien erst sehr kurzfristig über Al-Bakr informiert worden. Den anschließenden Polizeieinsatz beschrieb er „bei genauer Betrachtung als nicht einfach, aber mit Fehlern“. Die habe Sachsen auch eingeräumt und nun eine kompromisslose Aufarbeitung angekündigt. Schuster betonte: „Es hat einen kapitalen Anschlagsversuch nicht gegeben, weil insbesondere Verfassungsschutz und die Polizei das verhindern konnten.“

Die Grünen-Obfrau im Ausschuss, Irene Mihalic, kritisierte, erst überschlage sich die CDU/CSU-Fraktion mit Forderungen nach schärferen Sicherheitsgesetzen, und nun nach der Ausschusssitzung sage sie, es sei alles super gelaufen. „So kann man meiner Ansicht nach keine seriöse Innenpolitik machen.“ Der stellvertretende Ausschussvorsitzende, der Linken-Politiker Frank Tempel, warnte vor einer Generalkritik an Behörden und Polizei. Er betonte, die sächsischen Behörden hätten eine kritische Analyse versprochen.

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