Fall Böhmermann Auswärtiges Amt muss seine rechtliche Einschätzung erklären

Von Satire zum handfesten Polit-Skandal: Der Fall Böhmermann beschäftigte im vergangenen Jahr ganz Deutschland. Das Auswärtige Amt muss jetzt den Medien Auskunft über die eigene rechtliche Einschätzung geben.

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Mit dem Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Erdogan sorgte Jan Böhmermann im vergangenen Jahr für eine Staatsaffäre. Quelle: dpa

Berlin Das Auswärtige Amt muss Medien Auskunft über seine rechtliche Einschätzung von Jan Böhmermanns „Schmähgedicht“ geben. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat eine entsprechende Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin bestätigt, wie das OVG am Montag mitteilte (Az.: OVG 6 S 29.16). Der in Berlin erscheinende „Tagesspiegel“ hatte mit einer Auskunftsklage gegen das Auswärtige Amt versucht, Informationen darüber zu erhalten, aufgrund welcher rechtlichen Einschätzung die Bundesregierung im Frühjahr dazu kam, Ermittlungen gegen den TV-Moderator Böhmermann zu ermöglichen.

Er hatte Ende März in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ ein „Schmähgedicht“ über den türkischen Präsidenten Erdogan vorgetragen. Es handelte unter anderem von Sex mit Tieren und Kinderpornografie. Der Satiriker und Grimme-Preisträger hatte betont, er wolle mit dem Gedicht den Unterschied zwischen erlaubter Satire und auch in Deutschland verbotener Schmähkritik deutlich machen. Erdogan leitete dagegen rechtliche Schritte ein.

Die Staatsanwaltschaft Mainz ermittelte gegen Böhmermann wegen des Verdachts der Beleidigung des türkischen Staatsoberhauptes, nachdem die Bundesregierung eine Ermächtigung dazu erteilt hatte. Einen solchen Ablauf sieht der entsprechende Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs vor. Die Staatsanwaltschaft Mainz stellte die Ermittlungen gegen Böhmermann Anfang Oktober jedoch ein.

Das OVG Berlin-Brandenburg hat nun in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren entschieden, dass das Auswärtige Amt verpflichtet ist, der Presse Auskunft über den Inhalt der rechtlichen Prüfung des Gedichts zu geben. Diesem Anspruch lasse sich auch nicht entgegenhalten, dass das Bekanntwerden der Informationen Auswirkungen auf die diplomatischen Beziehungen zur Republik Türkei haben könne. Dazu habe das Auswärtige Amt auch keine tragfähigen Anhaltspunkte vorgetragen, sagte das Gericht.

Der „Tagesspiegel“ war einem eigenen Bericht zufolge Mitte des Jahres mit einer ersten Auskunftsklage gescheitert. Zur Begründung hieß es damals, Böhmermann habe ein „schützenswertes berechtigtes Interesse daran, keiner Vorverurteilung ausgesetzt zu sein“, die mit dem Bekanntwerden der internen Prüfungen verbunden sein könnte. Nach der Erklärung des TV-Moderators, er habe im Gegenteil selbst ein Interesse an den Auskünften und keine Einwände gegen ihre Veröffentlichung, habe sich dieses Argument erledigt.

Darauf weisen auch die Richter vom Oberverwaltungsgericht ausdrücklich hin: „Soweit sich das Auswärtige Amt wegen der Pflicht zur Wahrung der Unschuldsvermutung von Herrn Böhmermann an einer Auskunftserteilung gehindert sieht, greift dies nicht mehr durch, nachdem dieser schriftlich auf einen entsprechenden Schutz verzichtet hat und das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist.“ Bis wann das Auswärtige Amt die entsprechenden Informationen geben muss, sei in dem Beschluss nicht ausdrücklich erwähnt, sagte eine Gerichtssprecherin. „Aber es ist jetzt verpflichtet, die Auskunft zu erteilen.“

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