Fastenmonat Wie Flüchtlinge in Deutschland Ramadan feiern

Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen und trinken – an sich schon schwierig genug. Für Flüchtlinge ist die Herausforderung im Ramadan noch größer: Sie fasten in der Fremde.

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Auf das Fasten zu verzichten, kommt für viele Flüchtlinge und gläubige Muslime nicht infrage, egal, wie die äußeren Umstände sind. Quelle: dpa

Mannheim Gegen 17.00 Uhr fängt es an, schwierig zu werden. Dann grummelt sein Magen unaufhörlich und die Zunge klebt trocken am Gaumen. Yaman Asaad Albakri kommen dann Früchte in den Sinn, vor allem Wassermelonen, erzählt er. Doch im muslimischen Fastenmonat Ramadan darf er zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nichts essen und trinken. „Ich zwinge mich dann, an etwas Anderes zu denken“, sagt der Syrer. Immerhin gehe es auch darum, den eigenen Körper zu kontrollieren.

Mit der Ablenkung klappt es derzeit allerdings weniger gut als in früheren Jahren, denn er habe einfach nichts zu tun, sagt der 37-Jährige. Seit Januar lebt Asaad Albakri mit Frau und dreijähriger Tochter in der Mannheimer Flüchtlingsunterkunft Benjamin Franklin Village. „Die meiste Zeit sitze ich einfach in meinem Zimmer“, sagt er. Arbeiten dürfe er noch nicht, und er sei in Sorge, wie es mit ihm und seiner Familie weitergehe.

Auf das Fasten zu verzichten, kommt für den Flüchtling und gläubigen Muslim nicht infrage, egal, wie die äußeren Umstände sind. „Ich würde mich sonst schuldig fühlen.“ Der Ramadan sei für ihn schon als Kind wichtig gewesen, obwohl er damals noch gar nicht mitmachen musste. „Wenn meine ganze Familie das macht, wollte ich auch dabei sein.“

Asaad Albakri ist syrischer Staatsbürger, hat aber sein ganzes Leben in den Vereinigten Arabischen Emiraten gelebt. Zu Hause mit seiner großen Familie – er spricht von rund 25 Mitgliedern – sei das Fastenbrechen am Abend immer ein Riesenereignis gewesen, ein richtiges Fest. Mit der jetzigen Situation, in der Fremde und nur mit Frau und Tochter, sei es gar nicht vergleichbar. Der Blick des Mannes wird düster, er schaut nach unten. Sehr einsam fühle sich das an, ergänzt er mit leiser Stimme.

„Wenn eine Gesellschaft fastet, dann stellt sich der ganze Lebensrhythmus um: Cafés und Restaurants sind tagsüber geschlossen, das Ganze verschiebt sich in die Nacht“, sagt Religionswissenschaftler Danijel Cubelic von der Universität Heidelberg. Es sei ähnlich feierlich wie für Christen in der Weihnachtszeit. Deshalb spürten Flüchtlinge das Heimweh im Ramadan wohl am stärksten. „Ramadan ist die Zeit, in der die Familie verstärkt in Kontakt tritt.“ Es sei nicht nur eine Phase der Zurücknahme, sondern auch der Festlichkeit, mit vielen kleinen Ritualen.

Nach Sonnenuntergang – in Mannheim derzeit gegen 21.30 Uhr – darf wieder gegessen und getrunken werden. Im Benjamin Franklin Village hat der Betreiber in diesen Wochen extra die Zeiten der Essensausgabe für die Fastenden nach hinten verschoben. Im Supermarkt auf dem Gelände kaufen muslimische Flüchtlinge mit ihrem Taschengeld für das Fastenbrechen ein, wie Inhaber Selcuk Ibikli sagt. Der Renner seien Datteln, Desserts und süße Getränke. „Normalerweise würden sich auch Oliven gut verkaufen, aber hier ist das Budget nicht so groß. Wenn jemand 15 Euro ausgibt, ist das schon ein Rieseneinkauf für uns.“

In Yaman Asaad Albakris Familie ist es Tradition, das Fastenbrechen am Abend mit Linsensuppe und Limonade zu begehen. Das ändere sich für ihn auch in Deutschland nicht. Außerdem tischen er und seine Frau noch Fleischbällchen in Joghurtsoße auf. Die dreijährige Tochter darf in diesen Wochen lange aufbleiben.

Zu Beginn der Mahlzeit habe er das Gefühl, einfach alles essen zu können, stundenlang, ohne aufzuhören, erzählt Asaad Albakri. Aber nach ein paar Schlucken Limonade und den ersten Bissen realisiere er, dass der Appetit doch gar nicht so groß sei. Am Ende des Fastenmonats Ramadan habe sich sein Körper stark verändert. „Ich fühle mich für zwei bis drei Monate sehr leicht, sogar wenn ich schlafe.“

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