FDP-Abspalter Neue Liberale kommen mit der alten Leier

Nach der Piratenpartei und der AfD versucht die nächste Neugründung, das politische Establishment aufzumischen: die Neuen Liberalen. Vorwärts in die Vergangenheit könnten sie ihr Programm betiteln. Dennoch: Sie hat gute Chancen anzukommen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die ehemalige Landesvorsitzende der FDP, Sylvia Canel (l), und die FDP-Fraktionsvorsitzende in der Hamburgischen Bürgerschaft, Katja Suding, posieren für die Fotografen. Hinter den Kulissen tobte ein „Zickenkrieg“. Quelle: dpa

Die FDP-Vize Marie-Agnes Strack-Zimmermann wollte nur den Namen ihrer Partei ändern, als die Liberalen bei der Bundestagswahl im letzten Jahr aus dem Bundestag geflogen waren. In Hamburg gründeten Liberale gleich eine neue Partei. Ihr Name: Neue Liberale. An diesem Sonntag folgt der erste Praxistest - die Neue Liberale lädt zu ihrem ersten Bundesparteitag. Er gibt nicht nur eine erste Einschätzung darüber, wie viele Menschen sie anziehen kann. Auf dem Treffen in Hamburg müssen die Neuen Liberalen auch sagen, was sie wollen.

Obwohl: So neu sind die Neuen Liberalen nicht. Die wichtigsten Gründer gehörten bis vor wenigen Wochen noch der FDP an. Zwar begründeten sie ihren Austritt mit dem politischen Kurs der Altliberalen, aber der dürfte nicht das einzige Motiv gewesen sein. Seit Wochen hatte sich die Neuliberale Sylvia Canel, damals Landeschefin der FDP, mit Katja Suding gefetzt, der Chefin der FDP-Fraktion im Hamburger Landesparlament. Parteimitglieder sprachen schon vom – ja so frei sind sie – „Zickenkrieg“. Sogar Bundesvorsitzender Christian Lindner musste anreisen, um Frieden zu stiften. Vergebens. Und Gründer Najib Karim war einst Canels Stellvertreter und zuletzt Europa-Kandidat der FDP. Weitere Posten waren nicht in Sicht.

Großer Ausverkauf bei der FDP
Nach dem Scheitern an der Fünfprozenthürde und dem Rauswurf aus dem Bundestag im Herbst 2013 befindet sich die FDP-Bundestagsfraktion in Liquidation. Sämtliche Wertgegenstände müssen laut Gesetz verkauft werden – dies übernimmt das bundeseigene Verwertungsunternehmen Vebeg in Frankfurt. Dort wurden bis Dienstag, 13 Uhr, Gegenstände aus den Abgeordnetenbüros versteigert. Ein Blick in die (ehemaligen) Hinterzimmer der Macht. Das Bild zeigt die FDP in besseren Tagen: die Fraktion 2009 im Bundestag mit Fraktionschefin Homburger, Parteichef Westerwelle (vordere Reihe), Parteivize Brüderle, Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und dem Finanzexperten Solms. Quelle: dpa
Symbolfigur: Unter den versteigerten Gegenständen war auch eine Büste des ersten FDP-Vorsitzenden Theodor Heuss. Nach „Bild“-Informationen hatte der Künstler Georg Dittmer die Büste 2008 für den damaligen Parteichef Guido Westerwelle angefertigt, für 7000 Euro. Über die Versteigerung zeigte sich Dittmer verärgert: „Ein Unding, dass sie die Büste einfach so verscherbeln“, zitierte „Bild“ den Künstler. Gebotspreise werden auf der Vebeg-Homepage nicht genannt. Quelle: PR
Sitzgruppe ohne Abgeordnete: „Designer-Mobiliar Le Corbusier Cassina“. Quelle: PR
Ein Stück Zeitgeschichte: Sessel mit Pult aus dem alten Bonner Plenarsaal. „Der grüne Lederbezug weist starke Gebrauchsspuren auf“, heißt es in der Beschreibung. Quelle: PR
Der Deutsche Bundestag debattierte im alten Plenarsaal in Bonn bis 1986. Quelle: PR
„2 historische Schulbänke, Breite 120 cm, Sitze klappbar bzw. mit durchgehender Sitzfläche“ Quelle: PR
Eins der Platz für schwere Akten: Hier verkaufte die FDP „je 1 Regalwand mit 30 Fächer, ca. 400 x 220 cm, Schreibtisch ca. 100 x 200 cm, Fernsehtisch, Rollcontainer und Sideboard (Gebrauchsspuren)“ Quelle: PR

Als Neuliberaler hat sich IT-Spezialist Karim bisher ums Programmatische gekümmert. Darum dreht sich auch der Parteitag am Sonntag. Was wollen die Neuliberalen? Ziel sei eine „freie Gesellschaft, in der jeder Mensch in seiner Individualität geachtet wird und sich entfalten kann“, heißt es in den Grundsätzen der Partei. Wer will das nicht? Und weiter: „Kreativität. Schaffenskraft, Teilhabe und Solidarität der Menschen bedingen einander und haben die Freiheit als nötiges gemeinsames Fundament.“ Super. Sehen die Altliberalen das anders?

Mehr Kraft hat da schon die Aussage der Gründer, dass sie anknüpfen wollen an die sozialliberale Ära der Siebzigerjahre. Also: Vorwärts in die Vergangenheit. Nostalgie auf liberal. Dennoch haben die Neuliberalen Chancen, bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg im nächsten Februar ins Landesparlament einzuziehen.

Hamburg ist die ideale Brutstätte für Parteien. 1993 gründete sich dort die Statt-Partei und kam noch im selben Jahr in die Bürgerschaft. 2000 entstand die Schill-Partei, ein Jahr später war sie in der Bürgerschaft und an der Regierung beteiligt. Beide waren Protestparteien, beide blieben mit ihrem Erfolg auf Hamburg beschränkt, und beide versanken nach weniger Jahren in der Bedeutungslosigkeit. All dies könnten auch die Neuliberalen schaffen.

Die Hamburger FDP hat sich – aus Angst oder Übermut – schon mal an die regierenden Sozialdemokraten rangerobbt. Auch die Altliberalen sind auf Nostalgiekurs. „Wir wollen eine Koalition mit der SPD“, verkündete der kommissarische Landesvorsitzende Dieter Lohberger. Klar, auf die hanseatischen Christdemokraten kann er nicht bauen. Die haben keinen zweiten Ole von Beust, der sie an die Regierung führen könnte.

Doch auch die FDP schnitt in Hamburg nie besonders erfolgreich ab. Wenn sie den Sprung in die Bürgerschaft schaffte – wie bei letzten Wahl 2011 -, dann nur äußerst knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. Ihre beste Zeit hatte sie unter Klaus Brunnstein, Ingo von Münch und Wolfgang Hoffmann-Riem. Alle drei standen für ein klares Profil. Informatiker Brunnstein war einer der Ersten in Deutschland, die Datenschutz zum Thema machten. Von Münch war bundesweit anerkannter liberaler Staatsrechtler und Hoffmann-Riem prominenter und meinungsstarker Medienrechtler. Noch findet sich in der Hamburger FDP niemand, der die Reihe fortsetzen könnte. Da sieht die FDP in der Tat alt aus.

Eher könnten ihr die Neuliberalen Stimmen wegnehmen. Vorausgesetzt, sie schaffen es rechtzeitig, Kandidaten aufzustellen. Spätestens im Dezember muss die Kandidatenliste beim Landeswahlamt eingegangen sein. Aber die Statt-Partei hatte zwischen Gründung und Wahl auch nur 80 Tage Zeit – und war dann in der Regierung.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%