FDP-Bundesparteitag Der Drahtseilakt

Zwischen Hoffen und Bangen: Nach drei Jahren Tabula Rasa will die FDP neu aufgestellt und mit einem neuen Programm den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen. Sicher ist der nicht.

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Der FDP-Chef will mit den Liberalen in den Bundestag zurückkehren. Dass das gelingt ist noch lange nicht sicher.

„Wir haben wieder eine Chance“, sagt Christian Lindner bei seiner Rede zum Auftakt des Bundesparteitags der FDP. „Unser großes Ziel ist der Wiedereinzug in den Bundestag.“ Bisher ist das jedoch nur eine Hoffnung. Sicher ist ein Erfolg bei der Wahl noch nicht.

Dabei stimmen viele Eckdaten. Die Veranstaltungen der Partei seien gut besucht, „oft genug reichen die Räume nicht mehr aus und die Leute müssen stehen“, freut sich Lindner. Die Aussteller beim Bundesparteitag sind wieder da und geben gerne Geld, um in Kontakt mit den Delegierten zu kommen. Gleich im Eingangsbereich steht ein dickes Auto, Unternehmer bekennen sich öffentlich zur Partei, auch das Spendensammeln läuft gut. Fünf Millionen Euro hat die Partei laut eigenen Angaben zur Verfügung für ihr Schicksalswahljahr. Die Stimmung stimmt, der Vorstand gibt sich harmonisch, die Delegierten fühlen sich mitgenommen.

Jene Delegierten, die schon dabei waren, als Guido Westerwelle noch Parteichef waren, freuen sich darüber, dass ihre Vorschläge anders als früher inzwischen beachtet und nicht einfach abgebügelt werden, so wie in der Vor-Lindner-Zeit. „Dieser Programmentwurf wäre nicht möglich gewesen ohne das Jahr 2014“, sagte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. „Jedes Mitglied habe die Möglichkeit gehabt, darüber mitzudiskutieren.“

Die Eckdaten mögen stimmen. Doch die Umfragen ziehen nicht mit. Mitte vergangenen Jahres sahen die Werte schon mal besser aus, über Monate bekam die FDP sieben bis acht Prozent der Stimmen. In den vergangenen Monaten lagen die Werte meist zwischen fünf und sechs Prozent. Und je mehr es im Bundestagswahlkampf auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Union und SPD hinausläuft, desto mehr steigt die Gefahr, dass potenzielle FPD-Wähler lieber der Union ihre Stimme geben, um Martin Schulz als Kanzler zu verhindern.

Es ist ein Drahtseilakt. Auf der einen Seite müssen Mitglieder und Wähler zum Glauben an den Erfolg der Partei bewegt werden. Auf der anderen Seite dürfen sie sich aber nicht zu sicher sein, dass der Wiedereinzug schon gesetzt ist.

Das weiß auch der Parteivorstand. „Es wird noch ein weiter Weg“, mahnt Katja Suding, frisch im Amt bestätigte stellvertretende Bundesvorsitzende. „Wenn wir jetzt schon glauben, dass schon Plätze im Bundestag für uns reserviert sind, dann sind wir auf dem besten Wege, es wieder zu vermasseln.“

Am Freitag hatte Lindner die 662 Delegierten auf Zusammenhalt eingeschworen. „Niemals dürfen Eitelkeiten die Zusammenarbeit bestimmen“, sagte er. „Niemals darf der Respekt voreinander in Frage gestellt zu werden.“

Das Trauma in der Partei sitzt tief. Immer wieder kommt die Sprache auf die schmähliche Niederlage bei der letzten Bundestagswahl, die die Partei auf Bundesebene in die Bedeutungslosigkeit verdammte. Die FDP war damals tief zerstritten und zerlegte sich öffentlich gegenseitig.


„Wir werden uns nicht zum nützlichen Idioten machen lassen“

Die Partei hat die 1315 Tage außerparlamentarische Opposition genutzt, um sich rundzuerneuern und aus den Fehlern, die zum Absturz geführt haben, Konsequenzen zu ziehen. FDP-Chef Lindner will jetzt alles richtig machen. Er und seine Mitstreiter bemühen sich darum, die Partei thematisch breiter aufzustellen, um vom Image der reinen Steuersenker-Partei wegzukommen. Das Thema kommt erst auf den hinteren Seiten des Parteiprogramms, das derzeit von den Delegierten diskutiert wird. Lindner setzt auf die Verbesserung der Bildung und Innere Sicherheit.

Er fordert mehr Geld für Schulen, mehr Polizisten, eine konsequentere Durchsetzung der Gesetze. Schärfere Regeln oder mehr Überwachung will die FDP ganz im Sinne der liberalen Grundwerte jedoch nicht und kritisiert die Vorratsdatenspeicherung. Freiheit braucht Sicherheit, aber keinen Überwachungsstaat, sagt FDP-Generalsekretärin Beer.

Lindner will sich auch nicht festlegen, mit wem er koaliert, er hält sich alles offen. „Die Chance auf ein Comeback werden wir uns nicht kaputtmachen lassen, indem wir uns für wen auch immer zum nützlichen Idioten für beliebige Mehrheiten machen lassen“, sagt er. Um nicht als beliebiger Opportunist dazustehen, will er eine Woche vor der Bundestagswahl bei einem Sonderparteitag rote Linien für eine mögliche Koalition festlegen, von diesen roten Linien sollen Partnerschaften abhängig gemacht werden.

Falls die FDP bei der der am 14. Mai anstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen als Koalitionspartner in Frage kommt, will Lindner die Mitglieder darüber abstimmen lassen, mit wem die Partei regiert. Offiziell gesagt hat er es zwar noch nicht, aber das Modell, die Mitglieder nach der Wahl darüber abstimmen zu lassen, mit wem eine Regierungskoalition eingegangen werden soll, ist auch auf Bundesebene durchaus denkbar.

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